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Schobers-Rock-Kolumne: : eine vergessene Perle aus den frühen 70ern, ein neuer Stern am Singer/Songwriter-Firmament und das neue Album von Wet Leg

Weiden/Amberg. eine vergessene Perle aus den frühen 70ern

Weiden/Amberg. eine vergessene Perle aus den frühen 70ern
Weiden/Amberg. eine vergessene Perle aus den frühen 70ern

Schobers-Rock-Kolumne: : eine vergessene Perle aus den frühen 70ern, ein neuer Stern am Singer/Songwriter-Firmament und das neue Album von Wet Leg

So alt, so interessant

Jetzt bin ich vor allem durch progressive Rockmusik, kurz Prog-Rock sozialisiert worden, Deep Purple waren die ersten Helden, bald folgten vor allem Yes und Genesis, ein wenig später Gentle Giant, ELP, King Crimson, PFM und noch ein paar Verdächtige mehr. Das war in den 70ern, Internet gab es natürlich noch nicht und auch an einschlägige Musikgazetten kam man in der beschaulichen Herzogstadt Sulznach-Rosenberg nicht ran, einen kleinen Plattenladen der Räucherstäbchen, Jesus-Latschen, Batik-Shirts und eben auch ein paar Vinyl-Scheiben feil bot gab es in Amberg. Regensburg oder Nürnberg waren weit, blieb also noch der Versand und der hieß -glaube ich- „Groovy“, „Zeitausendeins“ gab es auch. Anscheinend hatte der aber auch nicht die schottische Kapelle Clouds im Repertoire, denn die kleinen Heftchen wurden von mir andächtig und vor allem gründlicher wie ein Katechismus gelesen.

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Anyway, dieses kurzlebige Trio veröffentlichte also von 1969 bis 1971 drei Alben die sich nicht einmal schlecht verkauften und ihnen auch Headliner-Shows weltweit, u.a. im berühmten Marquee-Club in London einbrachte. Wer dort auf sie aufmerksam wurde war ein gewisser David Bowie, der zeitlebens Fan der Schotten blieb, zum Fankreis gehörte auch Pete Townshend. Markantes Merkmal im Sound war das Nichtvorhandensein einer Gitarre. Dafür gab es aber bereits raffiniert arrangierte Streicher, Bläser, Mundharmonika, Bass, Schlagzeug und allerlei Tasten-Zaubereien. Blickt man heutzutage auf diese Musik klingt sie weder nach Fisch noch Fleisch, dafür geradezu revolutionär in ihrer Vielfalt.

Der Begriff des Prog-Rock greift jedenfalls viel zu kurz, hier klingen ganz viel Beatles mit, Vaudeville, Glamour-Pop und -Rock, auch psychedelischer Folk, Rhythm & Blus, Jazz bis hin zur Klassik geben sich bisweilen in einem Song vereint die Klinke in die Hand. Es macht wirklich ungemein Spaß die 3er-CD-Box „Clouds – Once Upon A Time – The Collection“ (Bertus) zu entdecken, zumal hier noch zusätzliche 23 Demos und alternative Tracks versammelt werden.

Musikalische Synästhesie

Ian Ellis, Harry Hughes und Billy Ritchie, also die Cloud-Jungs haben damals sicherlich den einen oder anderen Joint geraucht, den einen oder anderen LSD-Trip eingeschmissen. Dabei kommt es dann gerne zum recht angenehmen Phänomen der Synästhesie, dem neurologisches Phänomen, bei dem die Wahrnehmung eines Sinnesreizes automatisch eine zusätzliche, andere Sinnesempfindung auslöst. So können beispielsweise Töne als Farben wahrgenommen werden oder Buchstaben als bestimmte Geschmäcker. Macht richtig Spaß, wenn man sich darauf einlässt. Die Synästhesie ist nun Thema des neuen Albums der US-Musikerin Kaitlyn Aurelia Smiths aus Los Angeles.

Wenn ich mir „Gush“ (Nettwerk) anhöre, sehe ich zwar nicht gleich rot, besagte Synästhesie will sich aber auch nicht einstellen. Die Künstlerin experimentiert mit Tönen und Sounds, arbeitet mit Loops und Vocodern, sphärischen Chören, Drum-Computern und allerlei anderem, vorwiegend digitalem Instrumentarium. Die aufeinander gesampelten Klanglandschaften beziehen ihre Inspirationen von der Avantgarde, dem Electro- und Synthie-Pop, ein wenig Wave und Kraut-Rock mag auch dabei sein. Eine krude, synthetische Mischung allemal, also mehr Extasy als Marihuana und somit zumindest nix für mich.

Bock auf Rock?

Da passt ein Mann aus Georgia schon weit besser zu mir. Brent Cobb eröffnet sein neues Album, „Ain’t Rocked in a While“ (Thirty Tigers) mit einer Piano-Ballade und man wundert sich zunächst über ermaßen leise Töne. Aber kurz darauf mischt sich seine Band, The Fixin’s mit Len Clark (Schlagzeug), Matt McDaniel (Gitarren) und Josh Williams (Bass) ein und ab geht die gut geölte Rock-Maschine. Der Titelsong klingt dabei als würden Black Sabbath sich an Country-Rock versuchen.

„Bad Feelin’“ passt hervorragende in die Bad Company-Schublade, „Do it all the Time“ reicht ZZ Top zur Zier, „Even if it’s Broke“ rumpelt ein wenig im Crazy Horse-Modus, „In Our Hands“ nimmt den Fuß vom Gas- b.z.w. Verzerrer-Pedal und schunkelt hübsch und akustisch im Laurel Canyon Hippie Club, bevor der „Powerman“ seinem (Blues-Rock-)Namen alle Ehre macht. Dieser Singer/Songwriter, diese Band ist sicherlich ein Live-Erlebnis, nicht für die ganz großen Bühnen, eher für den verrauchten Club um die Ecke.

Rave für Intellektuelle

Szenenwechsel der krassen Art, nämlich von der gemütlichen Kneipe in die düstere, nebelverhangene Keller-Disco in Berghain. Dort könnte sich Ryan Lee West aka Rival Consoles so richtig austoben und sein neuestes Werk, „Landscape from Memory“ (Erased Tapes) auflegen.

Diese Instrumentals, meist mit analogen Synthesizern erzeugt in die sich auch mal ein Cello mischen darf, können sowohl Ambient als auch Dancehall, Techno als auch Electro-Pop, Avantgarde und Chillout als auch Deep House und IDM, elektronischer Shoegaze als auch Dream,-Pop sein. Auf alle Fälle ist es Musik abseits der gängigen Pfade aus diesem Genres ohne das Rad gleich neu zu erfinden.

Da lohnt es sich, ein wenig zu verweilen

Und weil wir gerade eh schon kreuz & quer durch die Genres hoppeln, machen wir auch noch beim klassisch-folkigen Singer/Songwriting halt. Yoshika Colwell aus Kent könnte hier nämlich ein neuer Stern am Firmament werden. Die Songs auf ihrem Debüt, „On The Wing“ (PIAS) handeln von Akzeptanz, Selbstfindung, Einsamkeit, Loslassen und die Befreiung von alten Bindungen, entstanden sind sie nach einer räumlichen und schmerzhaften Trennung, aber diese Singer/Songwriter erzielen ja meist die besten Resultate, wenn es ihnen so richtig schlecht geht, b.z.w. gegangen ist. Colwell selbst sagt zu ihrem Werk, „This album is a bit of a shrine I suppose to all of the pivotal experiences that shaped me during my twenties and it’s also, I feel, a tentative lean towards hopefulness for the future”, erklärt Colwell. “It was a challenge to put all of the things I was scared to say into these songs, to finally let them out of my head without shying away from the ugly or unpalatable emotions, but it felt like the only thing to do. The process felt quite ritualistic, akin to writing down the things you know you need to let go of on a piece of paper and burning it.” Ihre angenehm warme und zarte Stimme umgarnen teils aufwändige Arrangements wo dann auch mal eine Harfe zirpt, Streicher hat es sowieso. Aber da ist auch eine Slide-Gitarre zu hören, d.h. mit britischem Folk hat das wenig bis nichts gemein, da muss man schon in den Laurel Canyon fliegen und mal bei Joni Mitchell vorbeischauen.

Viel Rauch um nichts?

Hatte ich schon erzählt, dass ich vor zwei Jahren in London beim Virgin Store vorbeischauen wollte? Gab nur leider keinen Einlass, denn da stellen Wet Leg gerade ihr Debüt vor -und die Schlange war wahnsinnig lang. Die mir damals völlig unbekannten Mädels wurden dann ganz schnell „the next big thing“, Platz 1 in den UK Charts, eine Top 10 in Deutschland, drei Grammys, zwei Brit Awards und mehr als eine halbe Milliarde Streams. Kann sich sehen lassen, schauen wir mal ob das bei „Moisturizer“ (Domino) auch so klappt. Rhian Teasdale und Hester Chambers haben sich mit Ellis Durand (Bass), Henry Holmes (Drums) und Joshua Mobaraki (Gitarre, Synths) zum Quintett erweitert, die Song-Credits teilen sie sich. Besungen wird die Liebe in allen Facetten und Abgründen, dazu gibt es erneut eine Mischung aus knackigem Indie-Rock, ein wenig Pop und grummelndem Post-Punk. Warum darum indes so viel Aufhebens gemacht wird, erschließt sich mir nicht.