ad

Prozess am Landgericht Weiden: Über hundert Menschen über Balkanroute in die EU geschleust

Weiden. Vor dem Landgericht Weiden muss sich seit Mittwoch ein 36-Jähriger verantworten. Der syrische Staatsangehörige war Teil eines europaweit agierenden Schleusernetzwerks.

Weiden. Vor dem Landgericht Weiden muss sich seit Mittwoch ein 36-Jähriger verantworten. Der syrische Staatsangehörige war Teil eines europaweit agierenden Schleusernetzwerks.
Der Angeklagte mit Verteidigerin Barbara Lang (Saarbrücken). Foto: Christine Ascherl

Prozess am Landgericht Weiden: Über hundert Menschen über Balkanroute in die EU geschleust

Er gestand zum Prozessauftakt, die illegale Einreise von über hundert Syrern und Türken nach Deutschland und in die Niederlande koordiniert zu haben. Da er bei den Ermittlungen erhebliche Aufklärungshilfe geleistet hat, kann er mit einer Strafe von 6 Jahren 3 Monaten Haft rechnen. Das war das Ergebnis eines Rechtsgesprächs der Strafkammer mit Verteidigerin Barbara Lang (Saarbrücken). Ohne Geständnis hätte ihm durchaus ein zweistelliges Strafmaß gedroht, so Vorsitzender Richter Peter Werner.

ad

Der zuletzt in den Niederlanden wohnhafte Angeklagte nannte sich „Al Bashqan Al Sarawi“. Staatsanwältin Magdalena Stahl warf dem 36-Jährigen vor, mindestens 20 Touren koordiniert zu haben. Die Geschleusten sollen teils unter lebensgefährlichen und entwürdigenden Bedingungen transportiert worden sein – zu viert im Kofferraum, ohne Anschnall- oder Sitzmöglichkeit, ohne Stopp für die Notdurft. Manche Fahrer waren halsbrecherisch unterwegs. Einer hatte Kokain geschnupft, ein anderer raste mit 180 km/h der Polizei davon.

Ausgangspunkt: Camp Sombor in Serbien

Der Angeklagte betreute die „Kunden“ aus Syrien und der Türkei ab Serbien, unmittelbar vor der EU-Außengrenze zu Ungarn. Sie befanden sich meist in illegalen Lagern wie dem Camp Sombor. Der Kontakt entstand über TikTok und WhatsApp. Der Angeklagte rekrutierte Fahrer, besorgte Fahrzeuge und gab Koordinaten für Treffpunkte weiter.

Oft stand er während der Schleusungen in direktem Kontakt mit seinen Landsleuten. Er verfolgte deren Positionen live auf dem Handy. In der Slowakei stoppte die Polizei einige der Schleuser-Fahrzeuge, woraufhin der Angeklagte sofort Ersatzautos losschickte. Am Steuer saßen 2023 meist ukrainische oder moldauische Fahrer.

Neun Passagiere in einem VW T-Roc

Die Touren führten ab Serbien oder Kroatien über Österreich nach Bayern bzw. Tschechien nach Sachsen. Dresden war beliebter Zielort. Die Staatsanwaltschaft Weiden übernahm die Ermittlungen, weil eine der Fahrten in Windischeschenbach geendet hatte. So waren im Dezember 2023 fünf illegal eingereiste Syrer an der Autobahn-Raststation Waldnaabtal kontrolliert worden. Sie hatten 20 Stunden Fahrt ab Kroatien ohne Aussteigen hinter sich. Vier weitere Geschleuste waren schon in Österreich abgesetzt worden – alle Neun passten in einen VW T-Roc, vier davon saßen im Kofferraum.

Die Ermittler ordnen dem Angeklagten mindestens 183 illegal eingeschleuste Männer zu, darunter auch Kinder. Nach Teileinstellungen bleiben vor Gericht etwa 120 Menschen bei elf Fahrten übrig. Der finanzielle Ertrag für das Netzwerk war enorm: Für die komplette Schleusung von Syrien nach Deutschland wurden durchschnittlich 10.000 Euro pro Person verlangt. Die Teiletappe ab Serbien nach Deutschland wird auf etwa 2.000 Euro taxiert. Der Angeklagte erhielt laut Anklage einen erheblichen Anteil der Einnahmen.

Der Prozess wird am 30. Oktober, 14 Uhr, fortgesetzt. Etliche Zeugen werden nach dem Geständnis vom Mittwoch abgeladen.

Einer der Fahrer stand bereits im Mai 2025 in Weiden vor Gericht:

Schleuser vor Gericht: Drei Mann im Kofferraum, Kokain und 180 km/h