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Schobers-Rock-Kolumne: Von jung bis alt, von schräg bis konventionell, avantgardistisch bis traditionell

Weiden/Amberg. Die Festival-Saison startet, wer lieber auf dem Sofa oder im Cabrio Musik hören möchte, nachfolgend ein Kessel Buntes für viele Geschmäcker.

Weiden/Amberg. Die Festival-Saison startet, wer lieber auf dem Sofa oder im Cabrio Musik hören möchte, nachfolgend ein Kessel Buntes für viele Geschmäcker.
The Minus 5 / Matt Bernin / José James / Hotline TNT / Cardinal Black / Budos Band

Schobers-Rock-Kolumne: Von jung bis alt, von schräg bis konventionell, avantgardistisch bis traditionell

Allstar-Reigen mit flottem Repertoire

Scott McCaughey ist ein ziemlich umtriebiger Knabe, wahrscheinlich leidet er an dem ADHS-Syndrom. Er ist so eine Art musician`s musicians, spielte schon mit Kollegen wie R.E.M., Young Fresh Fellows, Filthy Friends, Robyn Hitchcock & The Venus 3, The Baseball Project um wirklich nur ein paar zu nennen. Diese revanchierten sich dann in wechselnden Besetzungen um sein eigenes Projekt, The Minus 5 zu unterstützen.

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Aktuell und meist dabei R.E.M.`s Peter Buck, Patterson Hood (Drive-By Truckers), Debbi Peterson (The Bangles), Kurt Bloch (The Fastbacks) und Spencer Tweedy. Auf “Oar On, Penelope!” (Yep Rock) hauen sie unbehauenen Power-Rock am Stück raus, der oft Neil Young`sche Krack-Gitarren zitiert, aber auch Power- & Garagen-Pop, Americana und psychedelisches mit beatlesken Melodien („Last Hotel“) im Programm hat. Produziert hat mit Ed Stasium (The Replacements, Ramones, Talking Heads) auch kein unbeschriebenes Blatt.

Ein Sänger auf Abwegen

Geht es bei The Minus 5 meist richtig zur Sache, steht Matt Berninger doch eher für die kontemplativeren Töne ohne dabei melodieselige Hymnen zu verschmähen. Aber auch der The National-Frontmann sammelt auf seinem zweiten Solo-Album, „Get Sunk“ (Concorde) eine große Schar befreundeter Musiker und Kollegen -u.a. Meg Duffy (Hand Habits), Julia Laws (Ronboy), Kyle Resnick (The National, Beirut), Garret Lang, Sterling Laws, Booker T Jones (der hatte das letzte Album produziert), Harrison Whitford, Mike Brewer und Walter Martin und Paul Maroon von The Walkmen- um sich. Berninger hält Rückschau, lässt sein Leben Revue passieren, singt eher aus der Perspektive eines jüngeren Ichs über die Wichtigkeit von Eltern, Freunden, Geschwistern, Ehepartnern und Ex-Freunden, Mitbewohnern im College, besten Freunden aus der Kindheit, Cousins und Kindern.

Das mündet dann in Bläser-verstärkten, opulentem Kammer-Pop wie in „Frozen Oranges“, in betulichen Folk-Pretiosen mit herzerwärmendem Duett-Gesang wie in „Breaking Into Acting“, zu einer Art Spoken-Word-Performance zu elegischen Synthies und Breakbeats in „Nowhere Special“ oder zum flotten Indie-Pop von „Bonnet of Pins“, der auch gut auf eine The Go-Betweens-Platte gepasst hätte. Produziert hat hier Sean O’Brien, der schon The National-Alben aber auch Arbeiten für Booker T Jones oder X Ambassadors zu verantworten hatte.

So klingt der neue RnB

Szenen-, bzw. Genrewechsel. José James ist ein Jazz-Sänger der 1978 geboren wurde. Seine letzte Platte hieß deshalb „1978“, die Neue “1978: Revenge of the Dragon” (Bertus). Man könnte sich auch mal einen anderen Titel einfallen lassen. Mehr Gespür hatte der Mann jedoch bei der Auswahl der hier versammelten Cover-Versionen, die eine Hälfte des Albums ausmachen, weitere vier Songs stammen aus eigener Feder. Der Begriff „Jazz-Sänger“ ist in diesem Kontext etwas irreführend, der Mann wird wohl vor allem von Soul-, Funk- und sogar Hip-Hop-Fans gehört werden, gelingt es ihm doch, das altehrwürdige, aber etwas antiquierte und vor allem als verkopft verschriene Genre des Jazz einer jungen Generation salonfähig zu machen.

Da steht dann ein Eigengewächs wie “They Sleep, We Grind (for Badu)” mit Querflöte, synkopischen Breakbeats  und Hip-Hop-Gesang neben Michael Jacksons Interpretation von „Rock With You“, oder das viel gecoverte und mit Samt-Stimme vorgetragene „Miss You“ von den Stones neben dem coolen, trockenem Funk von „Last Call At The Mudd Club“ mit schimmernden Fender Rhodes-Klängen und Engels-Chören. José James ist ein begnadeter Grenzgänger und Vermittler zwischen den Generationen.

Viel Lärm um Nichts?

Setzt James noch auf tanzbare Rhythmen und wohlig-weichen Sound, neigen die New Yorker von Hotline TNT mehr zur Dekonstruktion -und zum Lärm. Das dritte Werk, „Raspberry Moon“ (The Orchard) wird zwar wieder unter dem Begriff „Shoegaze“ subsumiert werden, eigentlich ist es aber ein ziemliches (melodiöses) Gemetzel und eher Grunge und Noise-Rock.

Will Anderson und seine Kollegen, Gitarrist Lucky Hunter, Bassist Haylen Trammel und Schlagzeuger Mike Ralston haben erstmals zusammen aufgenommen und sich mit Produzent Amos Pitsch (Tenement) im Studio verbarrikadiert. Dort wurden die Verstärker voll aufgedreht, sämtliche Effekt- und Hall-Geräte exzessiv genutzt um einen zähen Sound-Brei zwischen My Bloody Valentine, Nirvana und Dinosaur Jr zu kreieren.

Handgemachte Rockmusik ohne Schnörkel

Da kommt ein wenig Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern doch gerade recht! „Ride Home“ heißt das Stück und es ist der Opener der neuen Platte der walisischen Kapelle Cardinal Black.

Aber natürlich gibt es neben dieser netten Fieldrecording-Aufnahme auf „Midnight At the Valencia“ (Thirty Tigers) noch mehr Annehmlichkeiten zu vermelden. Da ist z.B. Gitarrist Chris Buck der mal als „Best New Guitarist in the World“ nominiert wurde oder Sänger Tom Hollister, der mit seiner rauen, kräftigen aber trotzdem warmen und ungemein authentischen Stimme aufhorchen lässt. Hootie & The Blowfish, die Counting Crows, Elbow, aber auch My Morning Jacket, Nathaniel Ratliff oder Dave Matthews fallen einem dazu ein.

Und da gibt es dann auch noch den leicht souligen Blues-Rocker „Keep On Running“ der kein Spender Davis Group-Cover ist, aber uns zu dem Mann führt, der die Band einst entdeckt und gefördert hatte, Steve Winwood. Die letzten Stücke der Platte sind etwas redundanter und intimer aber nicht wenig fesselnder, lediglich „Need More Time“ nimmt nochmals ein wenig Fahrt auf und gefällt durch Orgel- und Mundharmonika-Einsatz, die obligatorische Gitarren-Einlage darf natürlich auch hier nicht fehlen. Ehrliche Rockmusik ohne jeden Tadel.

Stil-Mix mit Gebläse

Absolut empfehlenswert ist zum Abschluss auch die neue Platte der kalifornischen Budos Band. Das vielköpfige Ensemble hat auf „VII“ (Cargo) elf spannende Instrumentals im Gepäck, die natürlich wieder von den scharfkantigen Bläsersätzen leben.

Die passen sowohl zu Kompositionen wie „Overlander“, der nach frühen Deep Purple (!) klingt als auch zu orientalisch anmutendem World-Pop, knackigem Funk, Afro-Beat, äthiopischem Jazz oder ganz einfachem Rock. Auch wenn das Cover-Artwork ganz andere Musik signalisiert, passt „VII“ bestens zu einer Cabrio-Fahrt in den Sonnenuntergang -allerdings bei einem Quentin Tarantino-Film.