Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Von guten Mächten wunderbar geborgen

Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Von guten Mächten wunderbar geborgen
Anfang nächsten Jahres sind Neuwahlen, und man muss keinen Expertenstuhl bei Lanz und den anderen Gesprächstherapeuten reserviert haben, um zu sagen, wer dann die zweitstärkste Kraft in unserem Land wird, nämlich die Leute, über die schon der Maler Max Liebermann so treffend sagte: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte“. Viel Zeit bleibt nicht mehr, dass wir vernünftigen, anständigen Leute das Ruder an uns reißen – zu laut poltern, geifern und lamentieren „sie“ schon.
Viele Menschen haben einfach Angst, sind erschöpft und kraftlos – denen mache ich keinen Vorwurf, aber es gibt eben auch zu viele Gleichgültige, häufig ausgestattet mit Energie, umfassenden gestalterischen Möglichkeiten und großen finanziellen Mitteln. Was sind denn die Themen, die den Normalbürger umtreiben, wahrscheinlich die aktuell brennendste Frage: „Schon alle Geschenke eingekauft?“ Dazu kommt jetzt auch noch die Hiobsbotschaft – der Handelsverband ist mit unserem Konsumverhalten nicht zufrieden, da heißt es also nachsitzen. Fehlt ja nur noch, dass sich der DAX rückwärts, vorwärts oder seitwärts bewegt. Egal, es ist sowieso der Habeck schuld…
Das kann doch wohl nicht wahr sein
Wir brauchen ein Fundament, eine Basis, eine Oase der Ruhe, einen Kraftort – irgendetwas, das es wert ist, dass wir es der nächsten Generation erhalten, denn unsere Kinder (und auch die Kinder der anderen!) sind es wert. Aber es ist nicht leicht, ich möchte verzweifeln – und dann fallen mir diese Zeilen ein:
(…) Noch will das Alte unsre Herzen quälen
Dietrich Bonhoeffer, Von guten Mächten wunderbar geborgen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns bereitet hast.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag. (…)
Was für ein Vorbild an Mut, Kraft und Überzeugung: Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, am 9. April 1945 mit gerade einmal 39 Jahren in Flossenbürg aufgehängt. Was haben ihn Freunde bekniet, nach seinen Englandaufenthalten nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Seine Antwort war einfach: Nur vor Ort kann er effektiv seinem christlichen Gewissen folgend Widerstand leisten. Er wusste, was ihm drohte. Er hat weitergemacht bis zum bitteren Ende. Noch Fragen?
Seine Zeilen waren sicher nicht die Aufforderung, sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen zu lassen, ganz im Gegenteil. Genauso wie wir uns jetzt nicht mit einem kraftlosen „Ja mei, was kann denn ich schon machen“ den Feinden unserer Demokratie und unserer Gesellschaft den Hals zum Biss anzubieten.
Mal aufs Herz hören
Es gibt Vorbilder an allen Ecken und Enden und vielleicht wäre der eine oder andere überrascht, welche Potenziale er und sie als Vorbild haben. Es müssen nicht immer exorbitante Heldentaten sein, das kann schon im ganz kleinen beginnen, indem wir uns beispielsweise schlicht und einfach positiv gegenüber unseren Mitmenschen postieren. Ein gesunder Hausanstand, etwas mehr Gelassenheit und weniger Neid, auf diesem Nährboden kann wirklich Gutes wachsen.
STOP! Nicht schon wieder in einem pawlowschen Beißreflex das so typisch deutsche „Ja, aber…“ intonieren. Natürlich gibt es genügend, die weniger leisten und doch mehr haben. Leute, die scheinbar mühelos durchs Leben springen und solche, die sich ihr Dasein mit jeder Menge Chuzpe bequem eingerichtet haben. Aber warum soll man an solche Energie verschwenden? Das alles ist vergeudete Lebenskraft und Lebenszeit, die wir doch lieber in einen menschlichen Weg investieren sollten und der wird zur Autobahn, wenn ihn nur genug gemeinsam beschreiten.
Vergelts Gott Clemens!
Noch ein Beispiel zum Thema „starkes Vorbild“ gefällig? Vor kurzem ist Pater Clemens Habiger im Alter von 82 Jahren gestorben. Er ging auch dahin, wo es wehtat – seine „Alkis“, seine „Knackis“, seine Obdachlosen und viele mehr waren seine Mission. Nicht um zu missionieren, sondern um ein echter Mensch zu sein. Er kümmerte sich um alle Menschen, sein prall gefüllter Terminkalender war ebenso legendär wie sein uralter Renault R4.
Clemens ist nie zum Lachen in den Keller gegangen und außerdem hat er sich hat sich nichts gefallen lassen, von den Schwadronierern nicht und auch nicht von der eigenen Organisation oder kurz gesagt: ein echtes Vorbild. Danke für alles, Clemens.
Wer kämme hier darauf zu denken, dass dieses Leben im Dienst der Menschen nicht erfüllt war?
Mein Wunsch für alle aufrichtigen und anständigen Leute
Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Es gibt sie, die guten Vorbilder und auch die wundervollen Menschen, für die es sich jeden Tag wieder lohnt aufzustehen. Man muss sie nur sehen (wollen). Am besten ist man selbst Vorbild. Versuchen sollte man es.