
Erhard Weigel: Universalgenie und fast vergessener Sohn der Stadt Weiden
Erhard Weigel: Universalgenie und fast vergessener Sohn der Stadt Weiden

“Erhard Weigel fiel mir bereits ganz am Anfang meiner Tätigkeit im Stadtarchiv Weiden auf”, erinnerte sich die ehemalige Stadtarchivarin Petra Vorsatz. “Schon bei meinen Besuchen bei der unvergessenen Stadtarchivarin Annemarie Krauß und ihrer Schwester und Kollegin Hanna Fröhlich im Stadtarchiv stieß ich auf das barocke Universalgenie. Es ließ mich während meiner gesamten beruflichen Laufbahn nicht los, diesem interessanten Mann auf den Grund zu gehen.”

Gemeinsam mit Dr. Sebastian Schott, der den Vortrag mit Fotos bereicherte, begann dann eine gute Stunde faszinierender Reise in das Leben eines bemerkenswerten Weideners aus dem 17. Jahrhundert.
Max-Reger-Stadt – ja. Aber wer ist Erhard Weigel?
Die Stadt Weiden schmückt sich seit vielen Jahren mit dem Namen Max-Reger-Stadt. Dabei wurde der Tonkünstler gar nicht in Weiden, sondern in Brand im Landkreis Tirschenreuth geboren. Lediglich seine Schulzeit verbrachte er in Weiden. Anders dagegen Erhard Weigel. Er wurde am 16. Dezember 1625 Weiden geboren. Wahrscheinlich im Haus seiner Eltern Michael und Anna, geborene Walthier, in der Judengasse Nummer 10. Heutige Mathematiker und Astronomen sehen in ihm eine prägende wissenschaftliche Persönlichkeit des Barocks. Dennoch hat es in seiner Geburtsstadt als Erinnerung nur zu einer Straße in den Naabwiesen von etwa 250 Metern Länge gereicht.
Erhard Weigels Familie verlässt Weiden
Nach seiner Taufe in der Kirche St. Michael erlebte Erhard Weigel nur seine ersten beiden Lebensjahre in Weiden, denn sein Vater Michael musste die Stadt verlassen. Schuld war die zwangsweise Rekatholisierung Weidens im Jahr 1627: Alle Bürger, die sich nicht dem katholischen Glauben anschlossen, wurden aus der Stadt verbannt. Als treuer Protestant konnte Weigel die Zwangskonvertierung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und zog mit seiner gesamten Familie nach Wunsiedel. Doch bereits im Alter von 46 Jahren verstarb der Ernährer der Familie dort. “Sehr zu meiner Verwunderung, erhielt Anna Weigel die Lehrerstelle ihres Mannes”, so Petra Vorsatz.
Noch als Kind unterstützte der spätere Gelehrte Erhard Weigel seine Mutter im Schuldienst. “Möglicherweise wurde in diesen Jahren der Grundstein für die faszinierenden Fähigkeiten von Erhard gelegt”, so die Referentin.
Ab 1647 Studium in Leipzig
Dass der junge Erhard sehr wissensdurstig, gescheit und auch tüchtig war, beweisen Unterlagen, die bezeugen, dass er sich mit seiner Nachhilfetätigkeit an der Lateinschule Wunsiedel Geld verdiente. Damit konnte er das Gymnasium besuchen. Bereits im Semester 1647/48 war er an der Universität Leipzig immatrikuliert und erhielt 1649 die Auszeichnung baccalaureus artium und magister philosophiae.
1653 ehelichte Erhard Weigel Elisabeth Hartmann, die sechs Kinder in die Ehe mitbrachte und mit dem Gelehrten zwei Töchter hatte. In diesem Jahr wurde er bereits als Mathematikprofessor nach Jena berufen.
Erhard Weigel schon als 31-Jähriger Rektor an der Universität Jena
Bis zu seinem Lebensende war Erhard Weigel ein überaus beliebter Professor an der Universität Jena. 1657 dort zum Rektor berufen, wiederholte sich seine Berufung 1675 und 1695. Während seiner Amtszeit hatte sich die Studentenzahl verdoppelt und spätere Koryphäen wie Gottfried Wilhelm Leibniz besuchte seine Vorlesungen.
Seine Expertise reichte von Mathematik, Astronomie, Geometrie und Optik über Geodäsie, Trigonometrie, Architektur und Philosophie bis zur exotischen Instrumentenkunde. Zu Recht bezeichnete Petra Vorsatz diese Wissensbreite mit dem Begriff “Universalgenie”.
Erhard Weigel: Vorreiter für eine moderne Pädagogik
“Vollkommen revolutionär für die damalige Zeit waren die Ansätze Weigels für eine Pädagogik ohne Angst und mit maximaler Praxisnähe”, so Petra Vorsatz. Einerseits war sein unerschütterlicher Gottesglaube und andererseits seine scharfe Beobachtungsgabe für menschliche Bedürfnisse maßgeblich. Sein Credo: “Tüchtigkeit und Glaubwürdigkeit”.
Einen Hinweis auf seinen faszinierenden Humanismus gibt seine Anweisung: “Kein Tier darf übel, unverschämt oder unbarmherzig traktirt werden!” Wen wundert es deshalb, dass Erhard Weigel auch für häusliche Früherziehung, praxisorientierte Exkursionen (“Unterrichtsgänge”), Abschaffung von Schulgeld und kindgerechte Ausstattung von Schulräumen eintrat. Am 21. März 1699 schloss der Gelehrte in Jena für immer seine Augen.
Schätze Erhard Weigels im Stadtarchiv Weiden
Bevor Petra Vorsatz ihren interessanten Vortrag schloss, wies sie darauf hin, dass während ihrer Zeit als Stadtarchivarin immer wieder Originale von Schriften des Universalgelehrten eingekauft wurden. “Insgesamt hat Weigel über 150 Abhandlungen hinterlassen, einige konnten wir ersteigern”, so die ehemalige Stadtarchivarin. Zu seinen herausragenden Werken gehören übrigens auch zahlreiche Erd- und Himmelsgloben.
Als sehr schmerzlich bezeichnete sie die verlorene Auktion um einen “Apostelkrug” aus dem persönlichen Besitz von Erhard Weigel. “Trotz städtischem Geld, trotz Geld von Freunden und leider auch trotz Einsatz von Geld von meinem Papa und mir selbst mussten wir angesichts eines potenteren unbekannten Bieters die Auktion verloren geben. Das hat mir schlaflose Nächte bereitet.”
Lebensleistung Erhard Weigels in Weiden noch mehr honorieren
Die Zuhörer waren sich einig: Angesichts der faszinierenden Persönlichkeit und der von einer fundierten Expertin dokumentierten Lebensleistung, wäre es vielleicht von städtischer Seite eine Überlegung wert, diesem ganz besonderen Weidener mehr als 250 Meter Straße zum Gedenken zu spendieren.
Stadträtin Dr. Sema Tasali-Stoll (SPD) und Dr. Matthias Loew (SPD), beide immer kulturell interessiert und deshalb lobenswerterweise auch außerhalb der Kommunalwahlen gerne beim OWV zu Gast, könnten einen Vorstoß wagen.