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Wegen Vergewaltigung eines Patienten (77): Landgericht verurteilt Azubi zu 4,5 Jahre Haft

Weiden. Das Landgericht Weiden hat einen Auszubildenden (24) einer Arztpraxis wegen Vergewaltigung eines Patienten (77) verurteilt. Die 1. Strafkammer verhängte 4,5 Jahre Haft. Der Mann aus dem Landkreis Tirschenreuth war geständig.

Wegen Vergewaltigung eines Patienten (77): Landgericht verurteilt Azubi zu 4,5 Jahre Haft

“Eine ungewöhnliche Tat in ungewöhnlicher Umgebung mit einem ungewöhnlichen Opfer”, so Richter Peter Werner in seiner Urteilsbegründung. Das Geständnis habe man dem Angeklagten angerechnet; es führte zur Strafminderung. Auch wenn nach Überzeugung des Richters die Beweislage wohl auch so gereicht hätte.

Dem 77-Jährigen blieb erspart, vor versammeltem Gericht noch einmal die erniedrigenden Situationen aus dem Sommer 2024 zu schildern. Zweimal hatte sich der Azubi beim Kathederwechsel an ihm vergangen. Verurteilt wurde eine Vergewaltigung vom Juni 2024. Ein zweiter Fall der Nötigung aus August 2024 wurde vom Gericht eingestellt, weil die Strafe nicht weiter ins Gewicht gefallen wäre. Zwischen den Taten hatte der Patient vergeblich versucht, Termine bei einer anderen Praxis zu bekommen.

Als Heimkind aufgewachsen

Zulasten des Angeklagten sprach aus Sicht des Gericht, dass er eine ohnehin “entwürdigende Situation ausgenutzt” habe. An einem Opfer, das krank und hochbetagt war. Zu seinen Gunsten wertete die Strafkammer die schwierige Kindheit des Täters: Der gebürtige Sachse ist als Heimkind aufgewachsen. Im Alter von drei Jahren war er mit weiteren Halbgeschwistern der Mutter genommen worden. Er blieb bis zum siebten Lebensjahr im Heim, bis der leibliche Vater von ihm erfuhr und ihn zu sich in die Oberpfalz holte.

Aus seinen ersten Lebensjahren hat der 24-Jährige nur spärliche Erinnerungen: An einer Hand hat er noch eine Brandnarbe, die ihm ein Partner der Mutter zugefügt hat; im Kinderheim musste er die Toilette putzen, um Essen zu bekommen. “Wie so oft”, so Richter Werner, führten Vernachlässigung und mangelnde Zuwendung zu sexueller Delinquenz, also der Neigung zu strafbarem Sexualverhalten.

Staatsanwältin: riesiger Vertrauensverlust

Staatsanwältin Susanne Pamler hatte auf 5 Jahre Haft, die Verteidiger Rouven Colbatz und Stephan Gesierich auf 4 Jahre Haft plädiert. Die Staatsanwältin betonte den Vertrauensverlust des alten Herren, der ausgerechnet im geschützten Raum einer Arztpraxis zum Opfer wurde. Anwalt Gesierich wies darauf hin, dass der 24-Jährige trotz schlechter Vorzeichen sein “Leben auf die Kette” bekommen habe (Schulabschluss, Ausbildung): “Bis auf diese Vorfälle. Was dazu geführt hat, wissen wir alle nicht, das weiß nur mein Mandant.”

Weiß er das wirklich? Gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Dr. Thomas Lippert sagte der 24-Jährige, er denke nicht, dass er ein psychisches Problem habe. “Aber er frage sich schon, wie es zu drei solchen Vorfällen gekommen ist und er jetzt in Haft sitze.” Gegenüber Lippert hatte der junge Mann die Vergewaltigung des Seniors noch abgestritten. Am ersten Prozesstag legte er ein Geständnis ab. Jetzt vor Gericht erklärte er sich dem Psychiater: “Ich wollte das früher halt nicht einsehen.”

VGN Nürnberg – Phase1
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Psychiater rät zu Abklärung

Unauffällig. Fast schon auffällig unauffällig. Gegenüber dem Psychiater beschrieb der 24-Jährige sein Sexualleben als komplett normal, er habe eine Freundin. Er bestritt jede Neigung zu besonders alten Menschen. Aus einem Chat mit der Freundin, ausgewertet von der Kripo, weiß man allerdings von einer Vorliebe für Erwachsenenwindeln.

Lippert kennt zudem natürlich die Akten der vergangenen Ermittlungsverfahren (siehe Infobox). Seine Bewertung: “Natürlich gibt es Verdachtsmomente” auf eine Störung der Sexualpräferenz. Aber keine so gravierende Störung, dass die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen wäre oder die Unterbringung in der forensischen Psychiatrie angezeigt sei. Der Psychiater riet zur diagnostischen Abklärung. Das sei auch in Haft möglich. Es gibt in der Justizvollzugsanstalt eine sozio-therapeutische Behandlung.

Letztes Wort: “Ich bitte um Entschuldigung”

Der immer recht freundlich wirkende Angeklagte entschuldigte sich in seinem letzten Wort mit roten Augen bei dem Geschädigten. Aus der Familie war der Schwiegersohn zur Urteilsverkündung gekommen: “Ich möchte mich herzlich entschuldigen, bei Ihnen, auch bei Ihrem Vater. Das ist natürlich nicht zu entschuldigen. Ich werde alles daran setzen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommen wird.”

Bei den Angehörigen blieben am Ende “viele Fragen offen”, vor allem zu früheren Tatvorwürfen: “Man geht mit einem unguten Gefühl”, meinte der Schwiegersohn nach der Urteilsverkündung.

Frühere Ermittlungen nach Vorfällen in Seniorenheimen

Im aktuellen Prozess wurde das Thema weitgehend ausgeklammert: Gegen den jetzt Verurteilten gab es in der Vergangenheit bereits zwei Ermittlungsverfahren wegen ähnlich gelagerte Verdachtsfälle.

Zum ersten Mal wurde der junge Mann im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJ) in einem Seniorenheim in Weiden auffällig. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen “Störung der Totenruhe”. Die Anklage warf ihm vor, auf einen verstorbenen Bewohner onaniert zu haben. Dieses Verfahren endete 2021 mit einem Freispruch vor dem Jugendrichter am Amtsgericht Tirschenreuth.

Er begann eine Ausbildung zum Alten- und Krankenpfleger. Während eines Einsatzes in einem Seniorenheim im Landkreis Tirschenreuth 2022/2023 kam der Verdacht auf, dass der Azubi an einer älteren Dame beim Toilettengang eine sexuelle Handlung vorgenommen hatte.

Die Heimleitung legte ihm daraufhin die Kündigung nahe. O-Ton des Angeklagten in der jetzigen Verhandlung: “Da wurde mir das auch vorgeworfen. Es hieß: Entweder ich kündige, dann keine Polizei. Oder ich bleibe – und Polizei.” Er habe den “ganzen Stress” vermeiden wollen und gekündigt. Er habe erst jetzt erfahren, dass der Fall trotzdem aktenkundig wurde. “Da war ich sehr überrascht.” Letztlich stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren damals mangels Beweisen ein.

Nach dem Abbruch der Ausbildung zum Alten- und Krankenpfleger bewarb sich der Mann für eine Ausbildung zur Medizinischen Fachkraft in einer Urologie-Gemeinschaftspraxis, die von seiner Vorgeschichte nichts ahnte. Als die Kriminalpolizei die Ermittlungen begann, wurde der Lehrling sofort freigestellt.

Zwischenzeitlich – bis zur U-Haft im April 2025 – hatte er eine Ausbildung im Verkauf angetreten. Er habe bewusst die Branche gewechselt, “damit keine solchen Vorwürfe mehr aufkommen”.

[Update] Prozess am Landgericht: Pfleger gesteht Vergewaltigung in Urologiepraxis

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Weiden. Ein ungeheuerlicher Tatvorwurf wird seit heute vor dem Landgericht Weiden verhandelt. Ein Pfleger (24) hat in einer Urologiepraxis einen männlichen Patienten (77) vergewaltigt. Der Angeklagte legte am ersten Prozesstag ein Geständnis ab.