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Mit dem Wachlerer durchs Korn – Weha zeigt beim Erntedankzug die harte Arbeit der Getreideernte

Weha/Kastl. Die Sonne hatte sich erst wenige Stunden über den Horizont geschoben, als mehrere Männer, Frauen und Kinder aus Weha in den vergangenen Tagen zum Kornacker bei Eisersdorf aufbrachen.

Mit dem Wachlerer durchs Korn – Weha zeigt beim Erntedankzug die harte Arbeit der Getreideernte

Foto: Hans Walter
Foto: Hans Walter
Foto: Hans Walter
Foto: Hans Walter
Foto: Hans Walter

Albert Götz, Herbert Stock, Stefan Weidner, Jonas Zeitler, Karl Schindler, Hannah Weidner, Sandra Stock, Theresia Kroher und Maria Kroher waren dabei, als es hieß, die Getreideernte wie in alten Zeiten mit dem „Wachlerer“ darzustellen. Es ist eine Arbeit, die Konzentration, Kraft und Ausdauer verlangt, und die in früheren Jahrzehnten den Sommer bestimmte.

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Die jüngste Helferin – Hannah Weidner

Besonders eifrig dabei war die erst achtjährige Hannah Weidner. Mit geflochtenen Zöpfen und einem passenden Kleid, wie es Mädchen vor langer Zeit auf dem Feld und im Alltag trugen, half sie mit einem Rechen ausgestattet fleißig bei der Ernte. Beim Festzug selbst wird sie zusammen mit ihren Eltern auf dem Motivwagen mitfahren, auf dem die Getreideernte dargestellt wird.

Es ist ihr erster historischer Erntedankzug – und sie freut sich schon sehr darauf, nachdem ihr ihr Vater Stefan und ihr Großvater Josef, der zusammen mit ihrer Oma Betty das Austragsehepaar darstellen wird, viele Geschichten von diesem besonderen Fest erzählt haben.

Regen und Realität auf dem Feld

Doch kaum war die erste Reihe geschnitten, zeigte sich, dass die Landwirtschaft nicht nur aus Sonnenschein besteht: Dunkle Wolken zogen herauf, ein kühler Wind legte sich übers Feld, und nur wenige Minuten später prasselte ein kräftiger Gewitterregen auf die Arbeiter nieder. Die Hemden klebten am Rücken, das Stroh wurde feucht – und sofort war allen klar, dass damit eine alte Erfahrung wieder lebendig wurde: Wer Korn erntet, muss jederzeit mit dem Wetter rechnen. Früher konnte niemand sicher sein, ob die Garben trocken in die Scheune kamen.

Ernte für den Festzug

Trotz des Wetters blieben Männer und Frauen bei der Arbeit. Schließlich ist das geerntete Korn für einen besonderen Zweck bestimmt: In sorgfältiger Handarbeit wird es nun für den Motivwagen der Dorfgemeinschaft beim historischen Erntedankzug am 14. September in Kastl aufbereitet.

Schon in den vergangenen Jahrzehnten hatte die Dorfgemeinschaft von Weha beim Festzug immer wieder mit diesen lebendigen Szenen begeistert – und auch diesmal soll die Ernte wie „in der guten alten Zeit“ vor den Augen der Zuschauer Wirklichkeit werden.

Erntedankfest Kastl

Weitere Infos gibt es hier.

Erinnerungen an die Zeit vor dem Mähdrescher

Während der Arbeit auf dem Feld kamen Erinnerungen hoch. 1961 zog erstmals ein Mähdrescher durch die Fluren von Weha – angeschafft von Hans Frank. Nur vier Jahre später folgte Josef Zeitler sen. mit einem Claas-Mähdrescher, den er bis ins hohe Alter selbst bediente.

Davor war die Getreideernte eine langwierige und kräftezehrende Angelegenheit: Beginn oft schon Anfang Juli, Ende nicht selten erst im August. Mit der Sense schnitt man Halm für Halm. Auf großen Höfen stellte man während dieser Wochen zusätzliche Erntehelfer ein.

Schwere Arbeit und lange Tage

Der Arbeitstag begann häufig um vier Uhr morgens und endete mit dem Gebetläuten um neun Uhr abends. Das Mähen selbst war schwere körperliche Arbeit – doch fast noch belastender war das Aufsammeln der Halme vom Boden und das Binden zu Garben. Das war vor allem Frauenarbeit: Mit gebücktem Rücken, oft unter brütender Sonne, banden sie das Korn zu Bündeln, die dann zum Trocknen aufgestellt wurden. Die langen Ärmel schützten vor „spießigen“ Halmen und Disteln – und waren doch in der Hitze eine zusätzliche Belastung. Rückenschmerzen und wunde Hände waren alltägliche Begleiter.

Foto: Gemeinderarchiv Kastl
Foto: Gemeinderarchiv Kastl
Foto: Gemeinderarchiv Kastl

Von Pferdegespann und Mähbinder zu Diesel und Hightech

Mit der Zeit zogen neue Geräte aufs Land: Mähmaschine, Ausleger, später der Mähbinder. Sie ersetzten den Schnitter und die Garbenbinderin – und doch waren auch diese Maschinen vergänglich. Heute sind sie, wie Sichel, Sense und hölzerne Dreschflegel, nur noch im Bauernmuseum oder auf staubigen Dachböden zu finden.

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Garben auf hölzernen, eisenbereiften Wagen heimgefahren. Zwei Aufgeber stachen die Garben mit der Gabel auf den Wagen, zwei Aufleger schichteten sie so, dass die Ähren zueinander zeigten. Wurde das alles nicht ordentlich gemacht, rutschte die ganze Fuhre auf den holprigen Wegen auseinander – ein peinlicher Moment, der nicht nur Mehrarbeit, sondern auch den Spott der Nachbarn einbrachte.

Birkhof – als die Maschinen kamen

Wie schnell sich die Technik änderte, daran erinnerte sich 2017 Josef Veigl aus Unterbruck, geboren 1938 in Birkhof, unweit von Weha und vor vier Jahren verstorben. Bevor Maschinen kamen, wurde jede Wiese und jedes Getreidefeld mit der Sense gemäht. Später zog eine pferdegezogene Mähmaschine ihre Runden. Auf dem früheren Gutshof baute man sogar eine eigene motorbetriebene Mähmaschine – ein Unikat, das funktionierte und den Alltag erleichterte.

In den Kriegsjahren kam ein Raupenfahrzeug mit Holzgasantrieb, um die dortigen weichen Moorböden bearbeiten zu können. Vorn am Kühler ein mannshoher Kessel, gefüllt mit Buchenholzscheiten – zweimal am Tag musste nachgelegt werden. Später wurde auf Diesel umgebaut.

Der eigentliche Paukenschlag kam um 1955: Der erste Claas-Mähdrescher

Der eigentliche Paukenschlag kam um 1955: Der erste Claas-Mähdrescher stand auf dem Hof – ein Vorführgerät aus dem Lagerhaus in Trabitz. Anfangs belächelt („Das ist nur Großtuerei, sowas braucht kein Mensch!“), wurde er bald zum Vorbild. Schon wenige Jahre später besaßen die Spötter selbst moderne Drescher. Damals füllte man das Korn noch in Säcke, band diese sorgfältig zu und ließ sie über eine Rutsche auf einen Anhänger gleiten, der neben dem Mähdrescher herfuhr.

Einladung zum Erntedankzug

Am Sonntag, 14. September, wird diese Geschichte wieder lebendig: Beim historischen Erntedankzug in Kastl zeigen die Wehaer, wie mühsam es einst war, das wertvolle Getreide vom Feld zu holen – Grundlage für das tägliche Brot. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen, sich dieses Stück gelebter Landwirtschaftsgeschichte anzusehen.

Der Festumzug ist nicht nur eine beeindruckende Schau alter Techniken, sondern auch eine Erinnerung daran, wie sich die Zeiten geändert haben: Was einst Dutzende Männer und Frauen in tagelanger Arbeit mit Sense, Gabel und „Wachlerer“ schafften, erledigt heute eine Hightech-Maschine in wenigen Stunden. Zwischen damals und heute liegen nicht nur Jahrzehnte – sondern eine ganze Welt an Erfahrung, Schweiß und Gemeinschaftsgeist.