
Staatsanwaltschaft Weiden und Bundespolizei: Schlag gegen internationalen Schleuserring

Staatsanwaltschaft Weiden und Bundespolizei: Schlag gegen internationalen Schleuserring
Die Bande soll 500 Menschen geschleust haben, mehrere Fahrten führten über Waidhaus. Es steht ein Entgelt von rund 10 Millionen Euro im Raum. Ein möglicher Prozess würde am Landgericht Weiden stattfinden. Die Festnahme der fünf Syrer (zwischen 26 und 37 Jahre alt) erfolgte in Deutschland, den Niederlanden und Bosnien-Herzegowina. Dies teilte Matthias Bauer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Weiden, am Donnerstag in einer Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Bundespolizei mit.

Weidener Staatsanwaltschaft vor Ort
Die Aktion am Mittwoch hatte die Bundespolizei zusammen mit Europol und Eurojust koordiniert. Spezialeinheiten der Bundespolizei sowie der niederländischen Polizei durchsuchten am frühen Morgen insgesamt drei Wohnungen in Dortmund und Bochum sowie ein Objekt in Houten (Niederlande). Sie wurden vor Ort von der Weidener Staatsanwaltschaft begleitet. Die Einsatzkräfte stellten umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter Smartphones und Fahrzeuge sowie geringe Mengen Betäubungsmittel.
Ausgangspunkt der groß angelegten Aktion waren aufwändige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Weiden (Spezialabteilung nach “Traunsteiner Modell”, Infobox) in Zusammenarbeit mit den Bundespolizeiinspektionen Kriminalitätsbekämpfung München und Waidhaus.
Fünf syrische Staatsangehörige festgenommen
Die Bande soll seit mindestens 2021 Schleusungen vorwiegend syrischer Staatsangehöriger, unter anderem über die sogenannte „Balkanroute“, organisiert und durchgeführt haben. Den fünf Beschuldigten werden konkret 40 banden- und gewerbsmäßige Schleusungstaten mit mindestens 500 Geschleusten vorgeworfen. Aufgrund der Überwachungsmaßnahmen ist von einer noch deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen.
So brüstet sich die Organisation selbst, im Jahr 2022 bis zu 480 Personen pro Tag nach Europa und Deutschland eingeschleust zu haben. Pro Schleusung sollen dabei (je nach Route und Aufwand) durchschnittlich zwischen 2.500 und 4.500 Euro veranschlagt worden sein. Im Zeitraum von 2022 bis 2025 sollen so mindestens 1,4 Millionen Euro an Schleuserlohn zusammengekommen sein. Unter Zugrundelegung der eigenen Angaben der Organisation geht die Staatsanwaltschaft jedoch von einem geflossenen Entgelt von etwa 10 Millionen Euro aus.
Die Vielzahl der mutmaßlichen Schleusungen und deren Verzweigung in diverse europäische Länder zeigen deutlich, wie komplex die Ermittlungen waren und wie eng sich die beteiligten Behörden dabei abstimmen mussten. Der Verdacht richtet sich gegen hochrangige Schleuserorganisationen, welche sich ihres international etablierten Schleuser-Netzwerks bedienen und über moderne Kommunikationsplattformen die Schleusungen von deutschen Wohn- und Geschäftsorten aus organisieren.
Tendenz: zunehmend gewaltbereit und rücksichtslos
Auch während dieser Ermittlungen bestätigte sich leider der bundesweite Trend, dass Schleuserbanden zunehmend gewaltbereit und rücksichtslos agieren und sich weiter professionalisieren. Es besteht der dringende Verdacht, dass es sich auch bei der hier im Fokus stehenden Gruppierung um hochprofessionell agierende Täter mit hoher krimineller Energie handelt.
Diese erwirtschaften erhebliche finanzielle Gewinne, riskieren das Leben unzähliger Menschen auf den teils extrem beschwerlichen Schleusungsrouten und schrecken auch vor Gewaltanwendungen gegen Migranten und gegen rivalisierende Schleuserbanden nicht zurück. Gegen diese Art der organisierten grenzüberschreitenden Kriminalität kann effektiv nur durch eine enge Zusammenarbeit mit Europol und Eurojust vorgegangen werden.
Zur Koordinierung der erforderlichen internationalen Ermittlungen wurde im vorliegenden Verfahren mit Unterstützung von Eurojust im Jahre 2024 ein Joint Investigation Team mit Bosnien-Herzegowina, Serbien und Polen gegründet. Die bei den Ermittlungen der Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Weiden zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität („Traunsteiner Modell“) und der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München verfolgten Spuren führten auch nach Bosnien-Herzegowina und die Niederlande.
“Traunsteiner Modell”
Das sogenannte „Traunsteiner Modell“ zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität wurde inzwischen bei allen grenznahen bayerischen Staatsanwaltschaften eingeführt.
Die jeweiligen Spezialabteilungen arbeiten bei der Verfolgung von international agierenden Schleuserbanden, Drogen- und Waffenhändlern nicht nur eng mit den ausländischen Polizei- und Justizbehörden zusammen, sondern auch mit Eurojust und Europol. Ziel ist es, durch eine Spezialisierung, Intensivierung und Koordinierung internationaler Ermittlungen erfolgreich Strukturermittlungen zur Ergreifung und Überführung der Hintermänner durchzuführen.
Die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München ist innerhalb der Bundespolizeidirektion München zuständig für die umfassende Bearbeitung komplexer Ermittlungsverfahren mit schwieriger Beweisführung, insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität.
Inhaltlich ergeben sich die zu bearbeitenden Deliktsbereiche aus den gesetzlichen Aufgaben der Bundespolizei und umfassen regelmäßig banden- und gewerbsmäßig qualifizierte Straftaten in Zusammenhang mit Schleusungen sowie Straftaten zum Nachteil der Deutschen Bahn oder deren Nutzer, wie Computerbetrug oder Transportgutdiebstahl.
Neben der Durchführung und Koordination umfangreicher offener und verdeckter Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung gehören zu den Kernelementen der Ermittlungsarbeit der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München eine eng vernetzte internationale Zusammenarbeit auf bi- und multilateraler Ebene einerseits sowie die intensive Nutzung IT-forensischer Methoden auf dem neuesten Stand der Technik anderseits.