Prof. Dr. Alexander Schuh gibt seine Kassenzulassung zurück - Desillusioniert und enttäuscht

Prof. Dr. Alexander Schuh gibt seine Kassenzulassung zurück - Desillusioniert und enttäuscht
Um Missverständnisse zu vermeiden: Seine Kollegin Dr. Inge Unterpaintner in der Gemeinschaftspraxis in der Dr.-Pfleger-Straße arbeitet unverändert weiter – auch für Kassenpatienten. Schuh (55) kann künftig nur noch Privatpatienten und Selbstzahler behandeln. Für ihn ist es ein Befreiungsschlag. „Ich habe mit dem gesetzlichen System abgeschlossen.“
Elektronische Patientenakte: „Nicht ausgereift, nicht sicher genug“
Die elektronische Patientenakte war für Schuh der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er hält sie für nicht ausgereift. „Ich bin ein Befürworter des Digitalen – wenn es funktioniert“, sagt Schuh. Die elektronische Patientenakte, die am 1. Oktober an den Start gegangen sei, habe genau an jenem Tag überhaupt nicht funktioniert. Erst vor wenigen Wochen sei durch einen Systemfehler – „nicht Anwendungsfehler des Kollegen“ – der Brief eines Patienten X in die Akte des Patienten Y hochgeladen worden.
Schuh zweifelt zudem an Sicherheit und Verwendung der Daten. Diese werden auf einer digitalen Plattform gespeichert und genutzt. „Ich finde es nicht legitim, mit diesen Daten zu arbeiten. Diese Daten gehören dem Patienten, gerne auch den Ärzten, die diese erhoben haben.“
Die „nächste riesengroße Unverschämtheit“ sei schon in Arbeit: Die gesetzlichen Krankenversicherungen planen eine zentrale Plattform für Terminvergaben – „und damit den direkten Zugriff auf unser Terminverwaltungssystem“. Für den Orthopäden ein No-Go: „Entweder ich bin angestellt oder ich bin selbstständig.“ Er wolle sich nicht vorschreiben lassen, wen er wann behandelt.
„Respektloser Umgang mit niedergelassenen Ärzten“
Punkt zwei: der respektlose Umgang von Politikern und Funktionären mit niedergelassenen Ärzten. Als Beispiel nennt er Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der sagte, Ärzte sollen „lieber Impfen als Golf-Spielen“. Oder Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, der einmal meinte, es werde ja „keiner gezwungen, Kassenarzt zu werden“.
Wie weit entfernt die Bundespolitik von der Basis sei, zeigt für ihn die 2024 von Gesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegte „Notfallreform“: Sie sah eine Entlastung der überlaufenen Notfallambulanzen durch Hausbesuche von Kassenärzten (auch Fachärzten) für die Akutversorgung vor – während des laufenden Praxisbetriebs. Schuh fragt sich, wie man sich das vorstellt: „Wir haben an manchen Tagen 70, 80 Patienten.“
„Vorenthalten von Leistungen“
Und schließlich Punkt drei: Das Arbeiten im GKV-System bedeute für ihn ein Vorenthalten von Leistungen. Beispiel: Ein Privatpatient bekomme so oft Krankengymnastik, wie es nötig sei. Ein Kassenpatient muss nach einem Block sechs Monate Pause machen – so steht’s im Heilmittelkatalog. „Auch manche Medikamente werden nicht übernommen, obwohl diese definitiv effektiv wären.“
Noch ein Beispiel: die Stoßwellentherapie, mit der Schuh sehr erfolgreich arbeitet. Inzwischen übernähmen die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung bei Fersensporn. Privatpatienten bekommen die Therapie auch bei Schmerzen in der Achillessehne, Tennis-Ellbogen und Kalkschulter. „Das werde ich nie verstehen: Beim Privatpatienten hilft’s, beim Kassenpatienten nicht? Ich habe das schon immer als sehr störend empfunden.“
Schuh möchte differenzieren zwischen Bundesebene und den Krankenkassen-Mitarbeitern vor Ort, mit denen die Zusammenarbeit sehr gut sei.
Appell: Überalterung der Ärzteschaft entgegenwirken
Die Überalterung der Ärzteschaft werde zunehmend zum Problem. 41 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter: „Die Politik müsste alles daran setzen, diese Ärzte zu halten. Ich würde die Schikanen ganz schnell auf Null begrenzen.“
Schuh verweist auf eine Studie von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen zur „Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens“ von 2005. „Der hat das ganze Dilemma vor 20 Jahren vorhergesagt.“ Ärzte bekommen künftig viel zu tun: Raffelhüschen weist auf einen doppelten Alterungsprozess der Bevölkerung – durch geburtenschwache Jahrgänge bei immer älter werdenden, geburtenstarken Jahrgängen.
Es müsste dringend mehr ausgebildet werden, meint Schuh. Aber selbst wenn jetzt zusätzliche Studienplätze geschaffen würden, würde es zehn Jahre dauern, bis diese Mediziner verfügbar sind. „Das ist eine ganz gefährliche Situation, in die uns die Politik manövriert.“
Und trotzdem: viel Freude am Beruf
Am Ende will Orthopäde Schuh eigentlich „gar nicht so negativ rüberkommen“. Seine Arbeit mache ihm schon immer sehr viel Freude. „Ich würde jederzeit wieder Orthopäde werden, weil das meine Leidenschaft ist und ich es liebe Menschen zu helfen.“ Er mache in der Behandlung auch keinen Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatienten: „Ich bin zwar aus dem Kassensystem ausgestiegen, möchte aber klarstellen, dass ich diese auch weiterhin – als Selbstzahler – behandeln werde.“ Die Kosten seien geringer, als die meisten Patienten vermuten.
Neben der Behandlung orthopädischer Krankheitsbilder freut sich Prof. Schuh auch darauf, die Stoßwellentherapie weiter zu entwickeln. „Es ist kaum bekannt, dass die Stoßwellentherapie auch bei vielen anderen Erkrankungen erfolgreich angewendet wird, wie beispielweise Karpaltunnelsyndrom, Narbenbehandlungen, umschriebenem Juckreiz oder chronischen Wunden.“
Zur Person: Prof. Dr. Alexander Schuh
Die gleichnamige Orthopädie-Praxis besteht seit 51 Jahren, vor 20 Jahren hat Alexander Schuh seinen Vater Dr. Ralph Schuh abgelöst.
Alexander Schuh startete seine Laufbahn 1995 am Klinikum Weiden, promovierte 1995 am Lehrstuhl für Orthopädie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Es folgten Jahre als Assistenzarzt im Klinikum Weiden, der Orthopädischen Universitätsklinik Freiburg und der Orthopädischen Klinik Rummelsberg.
Nach einem Forschungsaufenthalt in Los Angeles habilitierte Schuh an der Universität Erlangen im Fach „Orthopädie und Orthopädische Chirurgie“. 2005 erfolgten die Ernennung zum Privatdozenten und Oberarzt. 2006 ließ sich Schuh in Weiden nieder. 2011 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Alexander Schuh hat fast 450 Publikationen zu orthopädischen Fachthemen veröffentlicht. Eines seiner Spezialgebiete ist die Stoßwellentherapie, die er seit 26 Jahren anwendet. Um die Patientenversorgung zu optimieren, erwarb er die Zusatzqualifikation Stoßwellentherapie der Deutschsprachigen internationalen Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie (DIGEST e.V.) und gründete das „Süddeutsche Zentrum für Stoßwellentherapie“.