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150 Kinder, 1 Lehrer und barfuß zum Unterricht: Bewegte Geschichte der Schule Kastl

Kastl. Die Schule in Kastl entwickelte sich vom spätmittelalterlichen Lernort neben der Pfarrkirche St. Margaretha bis zum modern sanierten Bildungszentrum. Am 14. September wird beim historischen Erntedankzug die facettenreiche Bildungsgeschichte lebendig dargestellt.

150 Kinder, 1 Lehrer und barfuß zum Unterricht: Bewegte Geschichte der Schule Kastl

Der Jahrgang 1910. Aus Kastl sind teils über 100 Jahre alte Klassenfotos erhalten. Sie zeigen Kinder mit schmalen Gesichtern, ohne Schuhe und oft ernsten Blicken, die deutlich machen, wie sehr das harte Dorfleben die Jüngsten prägte. Viele dieser Kinder hatten kaum Zeit für Hausaufgaben. Sie mussten nach der Schule im Stall oder auf dem Feld helfen – und machten ihre Aufgaben abends bei schwachem Kerzenlicht, wenn überhaupt. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Die Mittelklasse 1925. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Jahrgang 1934. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Der Jahrgang circa 1910. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Das aktuelle Gruppenbild der “historischen Schulklasse”, die am Erntedankzug teilnimmt. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv
Noch gut erinnern kann sich zum Beispiel Hans Zeitler aus Neuenreuth. Von ihm ist ein Bild aus seiner frühen Schulzeit in Kastl erhalten geblieben. Foto: Hans Walter, Hans Zeitler, Gemeindearchiv

Ein Beitrag von Hans Walter

Die Geschichte der Schule in Kastl ist eng mit der Pfarrkirche St. Margaretha verbunden. Schon im Spätmittelalter dürfte es hier eine Pfarrschule gegeben haben – ein für damalige Verhältnisse bedeutender Ort des Lernens.

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Hinweise auf den Schulbetrieb gibt es bereits aus dem Jahr 1536, als ein Wolfgang Schmeltzl als Lehrer und Kirchengehilfe tätig war. Er lebte im Pfarrhof bei Pfarrer Jakob Amman, bevor er als Schulmeister nach Wien wechselte und dort als Dichter und Komponist Bekanntheit erlangte. Kastl war somit schon früh ein für damalige Verhältnisse Zentrum der Bildung im ländlichen Raum.

Schulhaus oder Kirchenbesitz? Streit über Eigentum und Kosten

Im 18. Jahrhundert tobte ein jahrelanger Streit um den baulichen Zustand und die Eigentumsverhältnisse des Schulgebäudes in direkter Nachbarschaft zum Pfarrhof und der Pfarrkirche. Besonders eindrucksvoll ist die Beschreibung des Speinsharter Chorherren Augustin Klier aus dem Jahr 1792: Das Schulhaus sei „gänzlich baufällig und zu bewohnen gefährlich“.

Der Dachstuhl faulte, Wasser tropfte von den Wänden – beinahe wäre die herabfallende Zimmerdecke zur Todesfalle für Lehrer und Schüler geworden. Doch statt Einigkeit über eine Sanierung zu erzielen, kam es zu Tumulten, Kostenstreitigkeiten und sogar zur militärischen Exekution gegen zahlungsverweigernde Gemeindemitglieder. Erst 1793 konnte das Gebäude schließlich erweitert werden.

Bildung für alle – unter einfachsten Bedingungen: 150 Kinder, 1 Lehrer

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Kastl zu einem bedeutenden Schulstandort für die umliegenden Dörfer. In der sogenannten Werktag- und Feiertagsschule lernten Kinder aus zahlreichen Ortschaften. Der Unterricht fand in oft überfüllten Räumen statt – 150 Kinder wurden teilweise von nur einem Lehrer betreut. Über viele Jahre hinweg mussten sich Schulklassen mit einem Misthaufen vor dem Fenster arrangieren.

Um Platzprobleme zu lösen, kaufte man sogar das ehemalige Baderhaus (früheres Anwesen Vetter) am Dorfweiher auf und funktionierte es zum zweiten Schulhaus um – mitsamt Gaststube, Fischgrube und Schröpfstube.

Schulraumnot und Biersteuer: Wege zur Finanzierung

Die finanziellen Engpässe der Schulgemeinde führten zu kreativen Maßnahmen. So wurde 1894 zur Schuldentilgung eine lokale Biersteuer eingeführt – mit spürbaren Folgen für den Preis der Maß Bier beim Rapswirt. Die Einnahmen daraus flossen in den Bau eines weiteren Schulhauses in der heutigen Egerlandstraße, das im Sommer 1891 bezogen werden konnte. Eine weitere Lehrerwohnung und ein zusätzlicher Klassenraum entstand – doch die Raumnot blieb ein Dauerthema.

Kriegsjahre, Flüchtlingsströme und Schulspeisung

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stiegen die Schülerzahlen durch den Zustrom vieler Flüchtlingsfamilien sprunghaft an: 1946/47 besuchten über 300 Kinder die Kastler Schule. Der Unterricht fand im Schichtbetrieb statt, die Ernährungslage war so schlecht, dass 1947 eine Schulspeisung eingeführt wurde. Trotz aller Not sorgten Lehrer, Schüler und Eltern gemeinsam für Verbesserungen: von den Kindern wurden Beeren gesammelt, um Bücher und Einrichtungsgegenstände kaufen zu können.

Barfuß zur Schule – Hans Zeitler über den Alltag in den 1940er Jahren

Noch gut erinnern kann sich zum Beispiel Hans Zeitler aus Neuenreuth. Von ihm ist ein Bild aus seiner frühen Schulzeit in Kastl erhalten geblieben. Es zeigt den Schulbuben mit Lederhose, Hemd und der Schultasche auf dem Rücken, barfuß, mit schmutzigen Füßen auf den Stufen des damaligen Treppenaufgangs zur Kirche. Bei Wind und Wetter musste er von der ersten bis zur vierten Klasse fast täglich zu Fuß von Neuenreuth nach Kastl gehen – egal ob frühmorgens oder spätnachmittags und, wenn’s sein musste, am Abend noch einmal, wenn Gottesdienst oder eine andere Veranstaltung war.

Ab der fünften Klasse wurde es etwas einfacher, so erinnert er sich, denn da bekam er ein Fahrrad für den Schulweg. Wobei der Weg mit dem Fahrrad über die alte Berggasse hinauf bzw. hinunter und dann weiter über den Kastler Berg nach Neuenreuth nicht unbedingt leichter wurde. Es war eine Zeit, in der keine Schulbusse fuhren, keine „Elterntaxis“ unterwegs waren und in der es wetterbedingt keinen Schulausfall gab.

Vom Provisorium zur modernen Schule: Der große Neubau

In den 1950er Jahren setzte sich der damalige Bürgermeister Hans Wagner energisch für einen Schulhausneubau ein. 1963 erfolgte der Spatenstich, zwei Jahre später wurde das neue Schulgebäude in der heutigen Schulstraße feierlich eingeweiht. Es bot Platz für sechs Klassen und war mit Gymnastikraum, Fachräumen und moderner Ausstattung nach ganz langer Zeit ein großer Schritt nach vorn. Doch mit der Einführung des neunten Schuljahres und wachsendem Lehrermangel wurde 1969 die Hauptschule nach Kemnath ausgelagert – ein schulischer Gewinn, auch wenn Kastl als Schulstandort damit seine Selbstständigkeit als Schulsprengel verlor.

Ab 1972 wurden auch die Grundschulklassen von Kastl der Stadt Kemnath unterstellt, in dem ein gemeinsamer Schulverband gegründet wurde. Trotz des Widerstands in der Gemeinde bewährte sich das Modell: Jedes Schuljahr erhielt eine eigene Klasse, und der Standort Kastl blieb durch die Auslagerung von Grundschulklassen von Kemnath nach Kastl dauerhaft erhalten. Die sechs Räume des Gebäudes waren weiterhin mit Leben gefüllt – bis heute besuchen Kinder aus der Gemeinde Kastl, Kemnath, Kaibitz und Löschwitz hier die Grundschule.

Generalsanierung für die Zukunft

Im Jahr 2002 erfolgte eine umfassende Sanierung des Schulgebäudes: Neue Fenster, Heizung, Elektrik, sanitäre Anlagen, Fluchtwege und eine moderne Netzwerkverkabelung brachten die Schule auf den neuesten Stand. In enger Zusammenarbeit mit dem Freistaat Bayern wurde ein Lernort geschaffen, der heutigen Anforderungen an zeitgemäße Bildung gerecht wird.

Erntedankumzug mit historischer Schulklasse

All diese bewegte Geschichte wird am 14. September beim historischen Erntedankzug in Kastl wieder lebendig: Eine historische Schulklasse mit 26 Kindern werden zusammen mit Anna Feibert als Fräulein Lehrerin und Gerhard Gresik als Lehrer den Wandel der Bildung anschaulich darstellen – mit Schiefertafeln, Schulranzen aus Leder und strengen Blicken des „Herrn Oberlehrer“.

Im Vorfeld des Festumzugs initiierte Festausschussleiter Arno Stahl ein historisches Gruppenbild der Schulkindgruppe sowie mit den „Lehrkräften“. Damit will man nicht nur das Ensemble dokumentieren, sondern auch an die Kinder von damals erinnern, von denen noch heute alte Schulbilder – teils über 100 Jahre alt – erhalten geblieben sind.

Am Sonntag, 14. September 2025, lädt die Pfarrei Kastl gemeinsam mit der Gemeinde zum großen Festumzug ein, der das ländliche Leben früherer Zeiten in all seinen Facetten widerspiegelt – von der Heuernte über das Handwerk bis hin zum Schulalltag vergangener Generationen. Weitere Informationen zum Festprogramm finden Sie unter www.Erntedankfest-Kastl.de.