
Jahn im DFB-Pokal: Köln 96 Minuten am Abgrund, dann platzt der Traum
Jahn im DFB-Pokal: Köln 96 Minuten am Abgrund, dann platzt der Traum

Es hätte das Startsignal für die Wiedergeburt des SSV Jahn nach der Mega-Blamage gegen Duisburg werden können: In der 66. Minute verlagert Christian Kühlwetter mit dem Außenrist auf Benedikt Bauer, der nach einer Anspielstation sucht, nicht fündig wird und an der Strafraumkante mit dem rechten Fuß traumwandlerisch ins rechte Eck schlenzt – 1:0, Ron-Robert Zieler chancenlos.

Das Jahnstadion bebt, die Fans nach langen bitteren Monaten wach geküsst, eine faustdicke Überraschung in greifbarer Nähe. Eine Sensation wäre zu hoch gegriffen, schließlich haben die Oberpfälzer die Geißböcke schon zweimal im Pokal bei den Hörnern gepackt und beim 1:1 im Rhein-Energie-Stadion vor dem eigenen Abstieg noch Ex-Ex-Sportchef Christian Keller mit in den Abgrund gerissen. Eine Surprise gleichwohl, die über 90 Minuten nicht unverdient gewesen wäre.
Kölns lange Bälle ins Ungefähre
Hätte, wäre, wenn: Köln hat, wen wundert’s mehr Ballbesitz und ein paar Abschlüsse mehr. Regensburg aber zuvor das griffigere Pressing, das Kölns Zieler permanent zu langen Bällen ins Ungefähre zwingt – und ja, auch die klareren Gelegenheiten:
- In der 37. Minute klaut Lukas Hermes dem schläfrigen Timo Hübers den Ball, tankt sich gegen drei Verteidiger durch, scheitert mit seinem Beinschuss aber an Zieler.
- Kurz nach der Pause setzt Bauer aus 20 Metern seinen ersten Testschuss knapp vorbei (58.).
- Leo Mätzler verzieht aus spitzem Winkel (63.).
Köln läuft sich dagegen meist in der vielbeinigen Abwehr fest – und kommt doch mal ein Rheinländer Felix Gebhardt gefährlich nah, grätscht Austria-Abwehrmaschine Felix Strauss weg, was nicht niet- und nagelfest ist. Sogar die Ecken klären die Oberpfälzer – anders als gegen die Zebras – gegen die Kölner Riesen meist mit Köpfchen oder Gebhardts energischer Faust.
So springen für den haushohen Favoriten kaum mehr als Jakub Kaminskis Kopfball aufs Tordach (29.) oder harmlose Distanz-Schüsschen der Marke Luca Waldschmidt in Gebhardts offene Arme (65.) raus.

Chancen, Krämpfe, Kölner Ratlosigkeit
Der Jahn steht kompakt. Zeigt die Intensität, die gegen den MSV mit keiner Lupe zu entdecken war, fightet leidenschaftlich, blockt Schuss um Schuss – Andi Geipl unterbindet einen Tempogegenstoß, als er sich in der 87. Minute entschlossen in einen Freistoß stellt und Gelb dankend entgegennimmt. Kölns Cheftrainer Lukas Kwasniok wechselt verzweifelt: Said El Mala bringt ab Minute 75 neuen Schwung, Ragnar Ache will als schlecht gelaunte Brechstange die Regensburger Defensive aufhebeln – alles ohne zählbaren Effekt.
Auch die Nachspielzeit zerrinnt wie Butter in der Abendsonne – die sechs annoncierten Minuten fast abgelaufen, auch wenn diverse Krämpfe Nachschlag erwarten lassen. Dann schlägt das Schicksal zu: Ein Regensburger kratzt die Kugel in Minute 90.+6. von der Grundlinie, will den Eckball vermeiden, Isak Johannesson schnappt sich den Ball, Flanke von rechts, Ache legt per Kopf zurück, Eric Martel aus 11 Metern volley ins linke Eck, 1:1.
Der Jahn geschockt, warten auf den Pfiff zur Verlängerung, der nicht ertönt – stattdessen will Köln jetzt die Entscheidung. Die Regensburger zu fahrig, Kristoffer Lund mit viel Platz über links, Flanke auf Ache kurz vorm Fünfer, Ablage per Kopf, mehr Zufall als gewollt, der Isländer Isak Johannesson frei am Fünfereck, eiskalt durch Gebhardts Schienbeinschoner, 1:2 (90.+8.). Zwei Nadelstiche in den Rot-Weißen Ballon, alle Luft entweicht.

Von Bayern bis Bauer – alles schon mal dagewesen
Nicht der erste bayerische Alptraum dieser Art: Mit Grausen denken wir an Barcelona ’99, als der FC Bayern im Champions-League-Finale gegen Manchester United in der Nachspielzeit vom Triumphator zur Trümmertruppe gebasht wird. Sicher, andere Augenhöhe, aber für die Regensburger nicht weniger schmerzhaft. Ein Quantum Trost gefällig?
Dass der Pokalsieg gegen Aufsteiger Bochum vergangene Saison nicht die nötige Energie für den Klassenerhalt freisetzte, kann man als winziges Trostpflaster auf diese Wunde kleben. Wer weiß, vielleicht ist es besser, sich jetzt der harten Liga-Realität zu stellen, anstatt vom nächsten Pokal-Coup gegen einen Bundesligisten zu träumen: Gegen Schweinfurt sollte das mit der gleichen Intensität wie heute doch wohl möglich sein! Alles andere wäre die Fortsetzung des Jahn-Alptraums.
Stimmen zum Spiel
- Michael Wimmer (Trainer Jahn Regensburg): „Wir haben 96 Minuten lang alles reingeworfen, standen kurz vor einer Sensation. Dann so zu verlieren, tut brutal weh. Aber wir müssen das jetzt wegstecken und gegen Schweinfurt drei Punkte holen.“
- Benedikt Bauer (Torschütze SSV Jahn): „Mein Treffer wäre so schön gewesen, wenn er das Tor zum Weiterkommen bedeutet hätte. Stattdessen stehst du nach Schlusspfiff da und weißt nicht, wie dir geschieht.“
- Lukas Kwasniok (Trainer 1. FC Köln): „Wir haben lange keine Lösungen gefunden, aber die Mannschaft hat Moral gezeigt. Am Ende war’s glücklich, aber das nehmen wir mit.“
- Eric Martel (Torschütze 1:1 Köln): „Es war pure Erleichterung. Der Jahn hat uns alles abverlangt, und ehrlich gesagt: Wir waren fast schon weg.“