Schobers-Rock-Kolumne: Interessantes aus New York und anderswo in den USA

Schobers-Rock-Kolumne: Interessantes aus New York und anderswo in den USA
Ein „Sprechender Kopf“ auf Solo-Pfaden
Hab ich eigentlich schon mal erzählt, das ich mit meiner Produktion, „Mother Africa“ für den „Drama Desk Award“ nominiert gewesen bin. Das ist so etwa der Oskar für Theater- und Musical-Produktionen und wird in New York verliehen. Ich flog also damals -das muss so um 2014 gewesen sein- mit meinem damaligen Partner Winston Ruddle aus Simbabwe in den Big Apple um an der Feier teilzunehmen. Roter Teppich, tiefe Dekolletees, massenweise Presse, war schon irgendwie geil. Und der Host des Abend erst: David Byrne! Von mir seit den ersten Tagen der Talking Heads verehrt und mit seiner Kapelle seither ein Garant für volle Tanzflächen bei Partys in unserem Freundeskreis.
Die Preise haben damals ausschließlich amerikanischen Produktionen abgeräumt („America First“), ich habe mich inzwischen von meinem langjährigen Partner getrennt, die Liebe zu David Byrne ist geblieben. Und die wird angesichts seiner aktuellen Produktion, „Who Is The Sky?“ (Beggars) auch nicht weniger werden. Byrne ist einer, der es einfach raus hat. Ob mit den fantastischen Talking Heads, ob als Solist oder in Kollaboration mit z.B. Brian Eno. Dieses Mal lässt er sich von einem ganzen Orchester, dem Ghost Train Orchestra aus Brooklyn unterstützen, nach Big Band klingt das aber trotzdem (meistens) noch nicht, dafür ist die musikalische Palette aber umso breiter gefächert. Sicherlich auch ein Verdienst von Großdenker, Produzenten und Grammy-Gewinner Kid Harpoon aka Tom Hull (Harry Styles, Miley Cyrus).
Das Album baut auf dem Optimismus seines Vorgängers auf. Es setzt Byrnes andauernde Betrachtungen der menschlichen Beziehungen und des Potenzials für gesellschaftlichen Zusammenhalt vor dem Hintergrund des globalen Chaos fort. Bei aller Gratwanderung zwischen zugänglichem Pop und Avantgarde ist Byrne in seinen humorvollen und positiven Songs aber nie um eine kleine Lektion verlegen: Die Liebe ist unerklärlich, Erleuchtung kann für viele Leute sehr viel Verschiedenes bedeuten und es ist immer eine gute Idee, sich mit feuchtigkeitsspendenden Mitteln zu pflegen – egal ob man am nächsten Morgen mit Haut wie der eines Babys aufwacht oder nicht.
Wir sehen, auch der Humor ist dem 73-jährigen nicht abhanden gekommen, was mich zurück zur Feier in New York bringt. Die war nämlich auch recht kurzweilig und „leider“ auch feuchtfröhlich, so dass ich mangels Kondition die After-Show-Party sausen lassen musst. Wahrscheinlich hätte ich sonst jetzt ein Foto mit David Byrne an meiner Seite.
Rock`n`Roll will never dy!
Wir bleiben noch ein wenig im Land der recht begrenzten Möglichkeiten (zumindest für Demokraten), wenden uns aber Richtung Süden nach Texas (wo der Republikaner lacht). Dort treibt eine Kapelle namens Whiskey Myers ihr Unwesen, die in etwa so klingt wie Ihr Name. Die Jungs sind Langhaarträger, einige davon mit Bart und ein Cowboy-Hut wird auch gerne genommen. Passt zur Serie „Yellowstone“ wo nicht nur ihre Songs verewigt wurden, sondern sie sogar einen Live-Auftritt hatten. Überhaupt ist die Band in den USA eine Macht, hat diverse Auszeichnungen eingeheimst, 2,4 Millionen Alben verkauft und über 3,7 Milliarden Streams gesammelt. „Whomp Whack Thunder“ (Bertus) wird sich hier einreihen, denn diese Mischung aus Allman Brothers, Ted Nugent, Guns `n`Roses, Lynyrd Skynyrd, Boston, aus kompromisslosem Gitarren-Rock und ein paar seligen Balladen wird nicht nur dort gerne genommen. Bestes Radio- und Stadion-Futter for the masses.
Experiment als Motto
Rein in den Flieger und ab in die deutsche Hauptstadt. Krasser könnte der Gegensatz zum US-Mainstream-Gebolze wohl nicht ausfallen, treffen wir hier doch auf die experimentelle Pianistin Svetlana Marintchenko (alias Lana Mari) und ihres Produzenten Jo Beatdenker die unter dem Kürzel SVM3 ein Album mit dem unaussprechlichen Titel, „Vtorchermet“ (Boomslang Records) veröffentlicht haben.
So sperrig der russische Name, so kompliziert die Musik. Ausgehend von einer frei improvisierenden, jazzigen Basis wird wild herumgebastelt. Da wird Hip-Hop ebenso zitiert wie Techno, Polyrhythmik trifft auf mäandernde Synthiflächen, Electronische Experimente vereinen sich mit Loops, Ambient triftet zum Pop, ja manchmal klingt das fast wie ELP nur ganz ohne Pomp. Musik definitiv not for the masses.
Singer/Songwriter Großtaten
Beim Rückflug in die Staaten hören wir uns schon mal die neue Platte von Josh Ritter an. Der Buchautor und Singer/Songwriter ist ein wohl gelittener seiner Zunft, singen doch Kollegen wie Bob Weir, Joan Baez und selbst her Bobness selbst seine Lieder. Wer nun genau in „I Believe in You, My Honeydew“ (Thirty Tigers) gemeint ist, bleibt unklar, es ist wohl die eigene Muse, der dieses Werk gewidmet ist.
Das macht der Mann einmal mehr wortmächtig und tiefgründig, eine Nabelschau ist es nicht. Seine Kapelle, die Royal City Band mit Sam Kassirer (Klavier, Orgel, Synthesizer, Akkordeon), Zachariah Hickman (Akustik- und E-Bass, Daumenklavier, Mandoline), Rich Hinman (Gitarren, Pedal Steel, Mandoline) und Ray Rizzo (Schlagzeug, Percussion) findet für alles die passende Lösung, so dass der Sound variantenreich zwischen den Polen Dire Straits und Leonard Cohen changiert. Eine Brise Gospel-Soul ist auch gerne mal dabei, die weite Klaviatur des Americana wird gekonnt bedient. Ein kleines Großwerk eines musician`s musician.
Sperriges aus Wales
Ähnlich umtriebig ist auch eine walisische Künstlerin namens Cate Le Bon. Ihre Sporen verdiente sie sich zu Beginn ihrer Karriere bei den Landsmännern Gruff Rhys, Gorky’s Zygotic Mynci und den Super Furry Animals, dann kam schnell die Solo-Karriere und Produzententätigkeiten für Deerhunter, Wilco, Horsegirl, Devendra Banhart und St. Vincent. Auf „Michelangelo Dying“ (Mexican Summer) begrüßt sie jetzt mit John Cale ein walisisches Urgestein als Gastmusiker.
Die Platte entstand auf der griechischen Insel Hydra, in Cardiff, London und Los Angeles und wurde schließlich in der kalifornischen Wüste fertiggestellt, wo ein Großteil der Landschaft und des Herzschmerzes der Platte in Le Bons Gedanken existiert. Es ist ein Album, das sich um die vielen Zustände der Liebe und ihre Folgen dreht, während Le Bon sich der Abstraktion intensiver Gefühle und der Trauer einer Fantasie hingibt.
Es mag eine Art Singer/Songwriter-Album sein, nur experimentiert Le Bon gerne mit Sounds und Tönen, jagt diese durch Filter und Verzerrer und kreiert so oft verwaschene, exotisch schillernde Klanglandschaften die ein wenig an bereits erwähnten Kollegen Cale, aber auch an Laurie Anderson oder Peter Gabriel erinnern. Eine Herzschmerz-Platte für die Boheme.
Rock`n`Roll will never dy, Part II
Wo Cate Le Bon durch edle Zurückhaltung und Understatement glänzt, posieren die Jungs von den Hives in vollem Ornat und mit Königskrone auf ihrem siebtem Album, das schlicht „“The Hives Forever Forever The Hives”“ (PIAS) betitelt ist und nichts anderes will als den wahren Rock`n`Roll zu retten. Die Wiederbelebung kommt einer Frischzellenkur gleich, denn hier wird gerockt bis der Arzt kommt. Das ist so in etwa AC/DC nur besser und unpeinlich. Rock on und bis zum nächsten Mal!