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Nordoberpfälzer Wirtschaftsforum 2025: Professor Viebigs Kapitalmarktblick auf die Welt im Zinsfieber

Altenstadt/WN. Wachstum auf Pump, Zinsen im Steigflug, Reformen im Stau – beim Nordoberpfälzer Wirtschaftsforum 2025 stellt Keynote-Speaker Professor Jan Viebig der aktuellen Wirtschaftspolitik ein bescheidenes Zeugnis aus.

Nordoberpfälzer Wirtschaftsforum 2025: Professor Viebigs Kapitalmarktblick auf die Welt im Zinsfieber

Das Wirtschaftsforum Nordoberpfalz 2025 im Kulturgut Altenstadt/WN mit Key-Speaker Professor Jan Viebig. Foto: Jürgen Herda

Wer verstehen will, wie fragil die neue Weltordnung geworden ist, muss die Sprache der Märkte sprechen – und manchmal zwischen den Zeilen lesen. Beim Nordoberpfälzer Wirtschaftsforum 2025 des Wirtschaftsclubs Nordoberpfalz, der Mittelstandsunion Oberpfalz und des Wirtschaftsbeirats Bayern analysiert Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, mit der Gelassenheit des Kapitalmarktforschers und dem Skeptizismus des Realisten, wie sich die „Kapitalmärkte in Zeiten globaler Machtspiele“ verhalten – und warum ökonomische Rationalität längst kein verlässlicher Maßstab mehr ist.

Sein Fazit, zugespitzt auf drei Länder, klingt wie eine Diagnose nach einer zu langen Nacht an der Börse: „Die USA wachsen auf Pump, Frankreich taumelt zwischen Sozialstaat und Schuldenkrise, Deutschland investiert zu spät, zu wenig und zu umständlich. Wachstum wird heute gekauft, nicht verdient.“

Die USA: Schulden als Lebensstil

Viebigs Blick über den Atlantik beginnt mit einem Zahlenschock: 123 Prozent Verschuldung, Tendenz steigend. Der Staat, so Viebig, habe sich an das Schuldenmachen gewöhnt – und drückt den Reset-Knopf. Mit Trumps „One Big Bullshit Bill“, wie Kritiker das Lieblingsprojekt des US-Präsidenten bezeichnen – einem Milliardenpaket aus Steuersenkungen und zusätzlichen Ausgaben – steuert Amerika erneut in eine hausgemachte Überschuldung.

Zinszahlungen übersteigen inzwischen die Verteidigungsausgaben, die Schuldenquote dürfte in wenigen Jahren auf 133 Prozent steigen. „Wenn die Schuldenlast wächst, wird die Zinsstrukturkurve steiler“, erklärt Viebig. Anleger verlangen höhere Zinsen für langfristige Anlagen, Kredite werden teurer.

30-jährige Hauskredite liegen wieder bei sechs Prozent – und das in einem Land, in dem der Traum vom Eigenheim Teil der DNA ist.

Professor Jan Viebig, Goethe-Universität Frankfurt

Die Rating-Agentur Scope sieht in dieser Mischung aus fiskalischem Übermut und politischer Polarisierung ein wachsendes Risiko: Druck auf die Fed, politisierte Geldpolitik, gefährdete Preisstabilität. Selbst der Ökonom Hans-Werner Sinn, kein linksliberaler Warner, erkennt in Trumps Stil „diktatorische Züge und ökonomische Inkompetenz“.

Frankreich: Der Sozialstaat als Schuldenmaschine

Auch Frankreich bleibt ein Sorgenkind – mit 114 Prozent Staatsverschuldung, instabilen Mehrheiten und wachsender sozialer Unruhe. „Ein Land, das den größten Sozialstaat der Welt finanziert, aber keine stabile Regierung findet“, so Viebig, „wird irgendwann vom Kapitalmarkt bestraft.“

Grammer Solar
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Vier Premierminister in zwei Jahren, Reformen vertagt, Rentenalter verschoben. Die Folge: steigende Risikoaufschläge, sinkendes Vertrauen. „Wir investieren nicht mehr in französische Staatsanleihen“, sagt Viebig nüchtern, „sehr wohl aber in gute französische Unternehmen.“

Deutschland: Das Land der verpassten Chancen

Hierzulande ist das Problem kein exzessiver Schuldenberg, sondern der Mangel an Dynamik. Die Schuldenquote liegt mit 62 Prozent noch im Rahmen, aber das Potenzialwachstum – die langfristige Veränderung des Bruttoinlandsprodukts bei einem normalen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten – dümpelt bei 0,3 Prozent. Der Investitionsstau bei der Infrastruktur ist besorgniserregend. „Ich bin mit der Bahn gekommen – mit einer Stunde Verspätung“, sagte Viebig trocken. „In der Schweiz regen sich die Leute auf, wenn der Zug zwei Minuten zu spät ist. Das ist symptomatisch.“

Ein Land, das seine Infrastruktur verfallen lässt, verliere auch seine ökonomische Substanz. Energiekosten dreimal so hoch wie in den USA, unterfinanzierte Kommunen, schwache Unternehmensinvestitionen. Und so schnell komme man von den Ausgaben auch nicht herunter: „Wir geben Milliarden für Renten aus, das lässt sich nicht so leicht korrigieren“, sagt Viebig. „Aber zu wenig für Innovationen.“

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Schuldenbremse ohne Bremsweg

Mit dem Regierungswechsel im Mai kam das große Versprechen: mehr Investitionen, weniger Bürokratie. Stattdessen: 500 Milliarden Euro für Klima, Transformation und Verteidigung – größtenteils über Sondervermögen jenseits der Schuldenbremse. Lars Feld, einer der renommiertesten deutschen Ökonomen, nennt das schlicht „einen politischen Etikettenschwindel“.

Wenn man für die Landesverteidigung künftig auf bis zu 3 Prozent des BIP geht, sind das bis zu 135 Milliarden Euro pro Jahr, wovon alles über einem Prozent des BIP von der Schuldenbremse ausgenommen ist.

Professor Jan Viebig, Goethe-Universität Frankfurt

Seine Kritik ist präzise: Die Öffnung der Schuldenbremse für Landesausgaben, Rüstung und Infrastruktur sei ein Tabubruch, der langfristig die Haushaltsdisziplin zersetze. Felds Berechnungen: In zehn Jahren könnte die deutsche Staatsverschuldung auf über 90 Prozent des BIP steigen, die jährlichen Zinsausgaben auf 40 Milliarden Euro. Eine Zahl, die sich selbst für solide Staaten gefährlich anhört.

Zinsen, Aktien, Narrative – und die alte Schwerkraft

Viebig zitiert den US-Ökonomen Robert J. Shiller, der die Macht der Narrative betont – jene Geschichten, die Anlegern Hoffnung oder Panik einflüstern. „Börsenkurse spiegeln nicht Fakten, sondern Erzählungen“, so Shiller, „und wer die Geschichten versteht, versteht die Märkte.“

Das Shiller-KGV, die zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Zahl, gilt dabei als Seismograf der Geduld: Es misst, wie lange Anleger bereit sind zu warten. Je höher der Wert, desto größer die Hoffnung – und die Fallhöhe. Aktuell liegt es bei rund 27 – kein Krisensignal, aber auch kein Schnäppchen.

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Die Buffett-Ratio

Und dann gibt es noch die Buffett-Ratio, das Verhältnis der gesamten Marktkapitalisierung zum Bruttoinlandsprodukt. Sie liegt in den USA weit über 100 Prozent – für Warren Buffett das klassische Alarmsignal: „Wenn die Schwerkraft der Zinsen wieder wirkt, fallen auch die Äpfel der Überbewertung vom Baum.“

Die Buffet Ratio wird berechnet, indem die gesamte Marktkapitalisierung aller börsennotierten Aktien durch das jährliche BIP eines Landes geteilt wird, um festzustellen, ob der Markt überbewertet, fair bewertet oder unterbewertet ist. „Ein Wert von über 100 Prozent deutet oft auf eine Überbewertung hin, während ein Wert unter 75 Prozent eine Unterbewertung signalisieren kann.“ Buffett selbst hält derzeit 340 Milliarden Dollar in Cash. Viebig kommentiert das lakonisch: „Buffett ist clever, er wird vorsichtiger.“

Das Wirtschaftsforum Nordoberpfalz 2025 im Kulturgut Altenstadt/WN mit Key-Speaker Professor Jan Viebig. Foto: Jürgen Herda

Was bleibt: Eine Warnung – und eine Chance

Für Deutschland bleibt Viebigs Diagnose unbequem, aber nicht hoffnungslos: „Wir haben eine hervorragende Forschungslandschaft, aber wir übersetzen Wissen zu selten in Unternehmen.“ Kein Microsoft, kein Nvidia, kein deutsches Google. „Wir haben zwar eine gute Forschungslandschaft, aber übersetzen diese nicht in Unternehmen.“ Die Eigenkapitalrenditen in Deutschland seien viel zu niedrig. Die Folge: Statt Investitionen in Innovationen ersticken Bürokratie und eine hohe Stromrechnung wirtschaftliche Impulse.

„Wir brauchen höhere Eigenkapitalrenditen, mutigere Investoren und eine Infrastruktur, die funktioniert“, so Viebig. Wenn nicht, droht die Bundesrepublik in eine Verschuldungsblase ohne Wachstum zu driften – stabil wie Beton, aber ebenso unbeweglich. „Ich bin Jahrgang 1969“, verrät Viebig, „damals stiegen die Zinsen bis in die 1980er Jahre, die Aktien fielen.“ Anschließend habe sich das bis zu den jüngsten Krisen gedreht.

Das Wirtschaftsforum Nordoberpfalz 2025 im Kulturgut Altenstadt/WN mit Key-Speaker Professor Jan Viebig. Foto: Destiny Washington

Zwischenfazit

Viebigs Vortrag ist kein ökonomischer Abgesang, sondern eine Einladung zum Realismus – gepaart mit dem Wunsch, aus nüchternen Daten wieder Zukunft zu destillieren. Wo viel Schatten ist, muss am Ende des Tunnels auch Licht sein.

„Die neue Regierung hat auch positive Impulse gesetzt“, lobt Viebig moderat. „Jetzt muss die Umsetzung folgen.“ Wie das gehen könnte, darüber will er in der anschließenden Podiumsdiskussion sprechen.

Das Wirtschaftsforum Nordoberpfalz 2025 im Kulturgut Altenstadt/WN mit Key-Speaker Professor Jan Viebig. Foto: Destiny Washington

Podiumsdiskussion: Vom Befund zur Bewegung

Trotz aller Warnsignale am Kapitalmarkt sieht das Nordoberpfälzer Wirtschaftsforum 2025 auch Chancen. Die neue Bundesregierung hat in ihren ersten Monaten spürbare Impulse gesetzt – etwa durch höhere öffentliche Investitionen, den Ausbau von Verteidigungs- und Infrastrukturprogrammen, steuerliche Entlastungen für Unternehmen und eine vorsichtige Öffnung der Schuldenbremse für zukunftsorientierte Projekte.

Jetzt gilt es, die Ankündigungen mit Leben zu füllen. Die Podiumsdiskussion drehte sich um die Frage, wie dieser Aufbruch in der Praxis gelingen kann – zwischen globalem Druck und regionaler Verantwortung.

Thomas Ludwig (VR-Bank Nordoberpfalz), Maximilian Wies (Omnibus Wies), Johannes Panzer (puzzleYOU) und Josef Bock (Constantia Pirk) diskutierten mit Moderator Jürgen Herda über Wege aus der wirtschaftlichen Stagnation.

Ihr gemeinsamer Nenner: weniger Lamentieren, mehr Umsetzen. Denn wirtschaftlicher Fortschritt, das wurde an diesem Abend deutlich, beginnt nicht mit Milliardenpaketen – sondern mit dem Mut, Verantwortung zu übernehmen.