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Mensch Meyer im Echo-Sommer-Interview (2): Mit Hausbesuchen in den Stadtrat

Weiden. Vom Listenplatz 36 auf den Rathaussessel: Jens Meyer startet mit Hausbesuchen durch – und zieht Lehren aus der Schröpf-Ära. Als Stellvertreter von OB Kurt Seggewiß trainiert er für die Verwaltungsrealität. O-Töne über Bürokratie, Kliniken, Oberzentrums-Lasten und Wahlkampf.

Mensch Meyer im Echo-Sommer-Interview (2): Mit Hausbesuchen in den Stadtrat

Schlüsselübergabe: Alt-OB Kurt Seggewiß reicht die Verantwortung für die Stadt Weiden an Jens Meyer weiter. Foto: privat

Wie sind Sie nach Ihrer Polizeilaufbahn in die Politik gestartet?

Jens Meyer: 2001 bin ich in die SPD eingetreten, 2002 wurde ich in den Stadtrat gewählt.

Das ging aber flott …

Meyer: … obwohl ich nur auf Listenplatz 36 platziert war, wurde ich auf Platz 11 vorgewählt.

Wie geht das als Neuling und Unbekannter ohne Doktortitel?

Meyer: Na ja, ich war etwas verschnupft über die vermeintlich schlechte Platzierung und wollte das nicht einfach hinnehmen. Also habe ich so 4000 bis 5000 Hausbesuche absolviert – oft nach dem Nachtdienst. Eine meiner ersten Begegnungen in Neunkirchen hat mir Mut gemacht: CSU-Stadträtin Lina Schwarzmeier (✝) meinte: „Ich hatte auch mal Platz 36 – machen Sie weiter so.“ Das hat mich getragen.

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Hat dabei auch Ihr Beruf als Polizist geholfen?

Meyer: Auf der Visitenkarte stand Polizeikommissar – das wirkt schon seriös.

Welche Themen haben die Weidener damals bewegt?

Meyer: Querbeet. Verkehrsthemen, Straßenlaternen, Grüngutcontainer – ich habe mir die Anliegen notiert und anschließend die SPD-Fraktion um Antworten gebeten. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich gefreut. Wir lernen daraus: Der Listenplatz ist nicht entscheidend.

OB Jens Meyer (SPD) im Echo-Sommerinterview vor dem Alten Rathaus. Foto: Jürgen Herda

Lehren aus der Schröpf-Ära?

Welche Lehren haben Sie aus der Schröpf-Ära gezogen – und was prägte die zwei Legislaturperioden unter OB Kurt Seggewiß?

Meyer: Das kann Kurt besser beantworten. Seine Devise war: sauber bleiben. Ich glaube nicht, dass die Ereignisse von damals vergessen sind – man ist heute vorsichtiger. 2005 gab es die Ermittlungen gegen den OB rund um die Kläranlage – ich wurde dabei bewusst rausgelassen, schon um jeden Eindruck der Befangenheit zu vermeiden. Entschieden haben aber ohnehin die Gerichte.

Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Lebensleistung von Hans Schröpf?

Meyer: Schröpf hat als Oberbürgermeister ohne Frage viel für die Stadt geleistet – wenn auch nicht er allein. Aber wer sehr lange im Amt ist, braucht auch kritische Begleiter, die davor warnen, die Bodenhaftung zu verlieren.

Zwölf Jahre Stellvertretung – Entscheidungen, die tragen

Was ist Ihre Vorstellung von Führung – als 2. Bürgermeister und heute als OB?

Meyer: Meine Zeit als Zweiter Bürgermeister war ein gutes Trainingslager. In Abwesenheit des OB musste man nicht nur repräsentieren, sondern in Urlaubszeiten auch die Verwaltung führen, rechtsverbindlich unterschreiben, Sitzungen leiten. In unseren heutigen wöchentlichen Dezernentenrunden kommen alle Themen auf den Tisch.

Unsere (Ober-) Bürgermeister (7): Jens Meyer will nach der Corona-Grätsche eine zweite Amtszeit in Weiden

Unsere (Ober-) Bürgermeister (7): Jens Meyer will nach der Corona-Grätsche eine zweite Amtszeit in Weiden

Weiden. Der Polizist im Rathaussessel will die Stadt, in die er vernarrt ist, zu neuem alten Glanz führen. Bürokratie und Rechtsprechung machen nicht nur Jens Meyer das Leben schwer: Wie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das Baugebiet Horbach zu stoppen.

Zu viele Regeln lähmen die Politik

Die Erwartungshaltung der Bürger und Unternehmer sowie die bürokratischen Regeln unter einen Hut zu bekommen, gleicht oft der Quadratur des Kreises. Aber das ist doch auch die Herausforderung für die Politik, berechtigte Anliegen zu berücksichtigen und zukunftsweisende Weichenstellungen hinzubekommen?

Meyer: Das sehe ich ähnlich, deshalb ringen wir ständig um Kompromisse. Meine klare Ansage an die Verwaltung: Versucht, politische Ziele möglich zu machen. Wenn mir aber alle Dezernenten sagen, etwas ist rechtswidrig, dann mache ich es nicht – das lehrt die Erfahrung, wie das jüngste Beispiel in Schwandorf zeigt.

Wir hören seit Jahren von verschiedenen Parteien, dass wir einen Bürokratieabbau brauchen. Dann kommen Gesetze zur Vereinfachung, die alles noch komplizierter machen und Gerichte, die unter Hinweis auf Gleichbehandlung Nachbesserungen verlangen – was ist Schein, was Substanz?

Meyer: Ein Beispiel dafür, wie eine vermeintliche Entbürokratisierung die Situation vor Ort noch verkompliziert, ist die Aufhebung der bayernweiten Regelung zu Spielplätzen bei Neubauten – jetzt muss sich jede Kommune eine eigene Spielplatzsatzung ausdenken.

Es stimmt, es gibt Bürokratieabbau, der in der Praxis keiner ist. Es gibt zu viele Regeln, die die Politik lähmen.

Jens Meyer

Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichte, Vergabevorschriften, Dokumentationspflichten, die Zeit und Kraft kosten. Wenn ich nur an den barrierefreien Ausbau der Altstadt denke, den wir schon vor Jahren angestoßen haben: Wir mussten unendlich viele Gespräche mit dem Denkmalschutz führen – mal war der Stein zu hell, mal zu dunkel, mal zu rutschig, mal passte die Fugenbreite nicht. Jetzt geht’s allmählich voran.

Hoher Besuch: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf der Suche nach dem handlungsfähigen Staat zu Besuch bei Weidens OB Jens Meyer. Foto: Stadt Weiden

Unsere Hauptaufgabe: Handlungsfähig zu bleiben

Höhe- und Tiefpunkte Ihrer Amtszeit?

Meyer: Der Tiefpunkt ging schon vor der Wahl los. Danach hatten wir gleichzeitig die Folgen der Pandemie, des Ukraine-Krieg, der Energiekrise und der Inflation zu managen. Wir bekommen eben oft den Unmut ab, wenn in Brüssel, Berlin und München entschieden wird, was wir vor Ort umsetzen müssen, aber nicht beeinflussen können. Bei allen Schwierigkeiten, die wir aufgrund der Unterfinanzierung haben, konnten wir das Klinikum mehrfach vor der Insolvenz bewahren.

Welchen Einfluss haben die globalen Krisen konkret auf die Stadtpolitik?

Meyer: Auf fast alle Lebensbereiche, von den Energiekosten, über die Finanzierung der Kliniken bis zur sozialen Infrastruktur – die wirtschaftliche Talsohle führt zu Haushaltslöchern und schwächt die Kommunen weiter. Und die Leute spüren die gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Unsere Hauptaufgabe ist es, trotz allem, handlungsfähig bleiben, rechtssicher zu entscheiden und unsere priorisierten Projekte durchzuziehen.

Jens Meyer

Weiden befindet sich seit Jahren in einer schwierigen finanziellen Situation: Warum lehnen Sie die Forderung der CSU nach einer Haushaltssperre ab?

Meyer: Weil es das falsche Instrument ist. Wir würden laufende Bauprojekte gefährden. Außerdem gibt es dazu überhaupt keinen Anlass, wir haben einen genehmigten Haushalt und halten Ausgabendisziplin. Ich bin im intensiven Austausch – auch mit dem Finanzminister.

Haben Sie den Eindruck, dass die Staatsregierung CSU-geführten Kommunen mehr Spielraum zubilligt?

Meyer: Ich fühle mich nicht benachteiligt. Die Herausforderungen einer kreisfreien Stadt, die Oberzentrumseinrichtungen für die Region mitfinanzieren muss, sind einfach groß. Auch Straubings CSU-OB kämpft gewaltig mit den finanziellen Herausforderungen. Als Präsident des Bayerischen Städtetags ist er unser Sprachrohr in die Landes- und Bundespolitik. Wenn der Bund die Kliniken wie eigentlich vorgesehen ausstattet, und die Kommunen an der Umsatzsteuer höher beteiligt würden, wäre uns geholfen.

Welle der Sympathie

Was sind die größten Herausforderungen, die besten Chancen in der nächsten Amtszeit?

Meyer: Bezahlbarer, familienfreundlicher Wohnraum steht für mich an erster Stelle. Im Baugebiet Horbach in Ullersricht rollen die Bagger. Das Turnerbund-Gelände kann modifiziert geplant werden. Und das SV-Gelände ist im Aufstellungsbeschluss.

Den Realschulneubau am bestehenden Standort umzusetzen, ist mein fester Wille – in ZOB-Nähe, der Schulbetrieb kann weiterlaufen.

Jens Meyer

Ein Neubau auf dem Volksfestplatz wäre keine Alternative?

Meyer: Das ist vom Tisch. Man bräuchte erst einmal eine Altlastenuntersuchung, bevor man überhaupt anfangen könnte. Über den Standort der Neuen Feuerwache für die Sicherheit der Bürger und der Einsatzkräfte kann man reden.

Mit welchem Gefühl gehen Sie in den Wahlkampf?

Meyer: Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Wenn ich durch die Altstadt gehe, erlebe ich eine Welle der Sympathie.

Deutschlands beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), zu Besuch bei Weidens Oberbürgermeister Jens Meyer. Foto: Stadt Weiden

Politik, Gegenwart & Ausblick:

  • Einstieg 2001/2002: SPD-Beitritt, von Listenplatz 36auf 11 vorgerückt, dank rund 5000 Hausbesuchen
  • 12 Jahre stellvertretender Bürgermeister: Trainingslager fürs OB-Amt, Dezernentenrunden, die Verwaltung in Abwesenheit des OB führen, rechtsverbindlich unterschreiben
  • Meyers Stil: kompromissfähig, aber rechtssicher, die Crux dabei: „Frag zwei Juristen – du bekommst vier Meinungen“
  • Agenda 2026–2032: Realschule (am Standort), neue Feuerwache, bezahlbarer Wohnraum (Horbach, Turnerbund, SV-Gelände)
  • Finanzen: keine Haushaltssperre, aber Ausgabendisziplin.
  • Forderung: Mehr finanzielle Ausstattung für die Kommunen (Kliniken, Umsatzsteueranteil).