Mensch Meyer im Echo-Sommer-Interview: Der Kriminaler, der den Mallorca-Betrüger fasste
Mensch Meyer im Echo-Sommer-Interview: Der Kriminaler, der den Mallorca-Betrüger fasste
Mensch Meyer, spätestens seit der Nominierungsrede Ihres Weidener Fraktionsvorsitzenden Roland Richter ist das Etikett „Meister des Grußworts“ an Ihnen haften geblieben – was sind für Sie die Momente, in denen Politik wirklich lebendig wird?
Jens Meyer: Wenn sie Menschen konkret hilft und rechtssicher ist. Das ist mein Kompass – wie im Polizeiberuf: Entscheidungen treffen, die tragen.
Apropos Mensch: Um Ihren persönlichen Kompass etwas besser einordnen zu können, zu Beginn die Kant’schen Fragen: Woher kommen Sie, was treibt Sie an, was beabsichtigen Sie zu tun und was dürfen wir für die Stadt Weiden hoffen?
Meyer: (schmunzelt) Da sitzen wir morgen früh noch da … Woher komme ich? Ich kam als Einjähriger nach Weiden. Mein Vater war bei der Bilka in Regensburg …
… kenne ich gut, meine Oma ging einmal die Woche dort zum Einkaufen und dann in die Kantine im Keller …
Meyer: … daran habe ich keine Erinnerung, da war ich noch zu klein. Jedenfalls wurde mein Vater dann nach Weiden berufen, wo Bilka die Weka übernahm.
… Weka, Witt & Winkelmann, die drei großen Ws der Weidener Geschäftswelt der Wirtschaftswunder-Ära …
Meyer: … genau. Aber auch an meinen Vater habe ich nur schemenhafte Erinnerungen, weil er bereits 1977 mit 34 an Darmkrebs gestorben ist.
Ich erinnere mich aber noch daran, dass es bei uns oft gespenstisch ruhig war, weil er starke Schmerzen hatte. Meine Mutter hat uns alleine großgezogen.
Jens Meyer
Keine leichte Aufgabe als alleinerziehende Mutter mit zwei Jungs?
Meyer: Sie hat das großartig hinbekommen – trotz ihrer vielen Verpflichtungen als Pfarramtssekretärin, freie Mitarbeiterin bei den Oberpfälzer Nachrichten und viel Ehrenamt in der evangelischen Kirche. Das Zeltlager Plößberg, das sie zusammen mit Pfarrer Kretschmer ins Leben gerufen hat, wurde eine Art zweite Heimat für mich. Mit 14 war ich dann selbst als Betreuer in der evangelischen Jugend aktiv.

Geheimnisvolle Post für Oberbürgermeister Jens Meyer
Weiden. Sie sorgt seit einigen Tagen für Gesprächsstoff in der Stadt: "Heide Witzka" und ihre Aufkleber. Jetzt hat sie auch OberfalzECHO damit bedacht.
Wann kamen Sie zum ersten Mal mit der Politik in Berührung?
Meyer: Tschernobyl, Wackersdorf und das Waldsterben waren Themen, die uns in der evangelischen Jugend bewegten. Wir waren der Auffassung, da kann man nicht einfach nur zuschauen, da muss man sich engagieren. Wir – meine Mutter, Pfarrer Peter Pauckstadt und Freunde aus der Evangelischen Jugend – standen friedlich am Franziskusmarterl, haben Hans Schuierer gehört.
Von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl habe ich das erste Mal gehört, als ich gerade von einem Waldlauf in Hagelstadt zurückkam – ich weiß noch, dass wir uns fragten, ob wir noch in die Schwammerln gehen können. Wie war das bei euch?
Meyer: Wir wussten auch nicht so recht, was man noch tun konnte. Ich weiß noch, dass ich mich einmal geweigert habe, in die Weitsprunggrube zu springen – es gab eine 6, die wurde aber später zurückgenommen.
Von Würzburgs Bereitschaftspolizei zum Flutkanal-Läufer
Was hat Sie zur Polizei geführt – und wie prägend waren die verschiedenen Stationen?
Meyer: Nach der 10. Klasse am Kepler-Gymnasium stand für mich fest, dass ich Polizist werden wollte. Meine erste Station war die Bayerische Bereitschaftspolizei in Würzburg.
Was sind eigentlich die Zulassungsvoraussetzungen zur Polizei: Sportliche Fitness, charakterliche Eignung?
Meyer: Man braucht ein polizeiliches Führungszeugnis, damals noch die deutsche Staatsangehörigkeit und eine Mindestgröße. Den Einstellungstest habe ich mit einem Durchschnitt von 1,1 bestanden …
Worin bestand der Test?
Meyer: Deutsch, Allgemeinbildung und Sport – Laufen und Bankdrücken zum Beispiel. Anschließend ging es in die Grundausbildung: Wieder mit viel Sport, Schießen und eine grundlegende Rechtsausbildung. Die dauerte zwei Jahre. Anschließend folgte der Anstellungslehrgang in Nürnberg und eine Zeit bei der Bereitschaftspolizei in Sulzbach-Rosenberg. Nach insgesamt drei Ausbildungsjahren erfolgte die Ernennung zum Polizeihauptwachtmeister.
Wie haben Sie die ersten Jahre als Polizist erlebt – den rauen Alltag auf der Straße?
Meyer: Es war die Zeit der letzten RAF-Attentate und vor allem die Zeit der Grenzöffnung, ich wurde zu vielen Einsätzen rund um Fußballspiele in Dresden oder Rostock geschickt. Manchen ging’s dort ja mehr ums Raufen als um den Sport.
Aber so richtige Auseinandersetzungen mit Hooligans blieben mir erspart. Ich wurde zum Raumschutz oder für Alkoholkontrollen eingesetzt.
Jens Meyer
Wie war denn die Stimmung in der Truppe?
Meyer: Sehr kollegial, oft sogar eine Riesengaudi. Man verlässt sich aufeinander. Frauen gab’s damals keine noch keine in der Hundertschaft, aber negative Begleiterscheinungen, von denen man heute immer wieder liest, wie Ausländerfeindlichkeit, habe ich nicht kennengelernt.
Härtefälle – was bleibt?
Man kennt das als Bürger ja nur vom Tatort: Mussten Sie auch Todesnachrichten überbringen – das stelle ich mir sehr belastend vor?
Meyer: Ja, leider, Anfang der 90er zwei-, dreimal. Ganz schlimm war der Fall eines vermissten Kindes, zwei Jahre als, das wir schließlich ertrunken in einem Tümpel gefunden haben – und die Eltern waren dabei. Das war fürchterlich. Meine erste Bahnleiche musste ich im tief verschneiten Oberbayern aufnehmen. Wir waren zu zweit auf Streife, haben zunächst ein abgetrenntes Bein mit Socke gefunden. Mein Kollege musste sich übergeben und ging dann zurück zum Streifenwagen.
Ich bin weiter, habe den Torso zwischen den Gleisen gefunden. Als ich Geräusche im Wald hörte, habe ich die Pistole gezogen – mein weiß ja zunächst nichts über die Umstände. Am Ende war’s nur ein Fuchs. Heute gibt’s Kriseninterventionsteams – psychologische, seelsorgerische Hilfe. Das war damals noch nicht so.
Im Polizeiberuf lernst du so viele Situationen kennen, dass dir nichts Menschliches mehr fremd ist.
Jens Meyer
Welche positiven Momente werden Sie nie vergessen?
Meyer: Zuallererst natürlich die Grenzöffnung. Wir waren wochenlang an der damaligen deutsch-deutschen Grenze eingesetzt. Später war ich viel in Oberbayern im Einsatz, rund um Bad Tölz, im Umland von Garmisch-Partenkirchen – im Olympiastadion Garmisch, beim Neujahrsspringen oder dem König-Ludwig-Lauf. Wir standen mitten auf der Piste. Einmal habe ich Sportmoderator Gerd Rubenbauer spaßeshalber nach Ausweis und Eintrittskarte gefragt – der hat damals den Gaudimax moderiert. Erst hat er verblüfft geschaut, „nur ein Scherz …“. Er war nicht nachtragend. Ganz und gar nicht amüsant, aber unvergesslich: der tödliche Unfall von Skiläuferin Ulrike Maier am 29. Januar 1994. Ich war einer der Ersten am Unfallort. So etwas vergisst du nicht – und du bist froh, wenn Rettungskräfte sofort da sind.

Weiden radelt zum HPZ für besonderen Einblick
Weiden. Angestellte der Stadt und OB Jens Meyer nahmen an einem informativen Betriebsausflug zum HPZ in Irchenrieth teil, mit Einblicken zum 60-jährigen Jubiläum.
Vom Grenzübergang Waidhaus zur Kripo
Wollten Sie von Anfang an zurück in die Oberpfalz und nach Weiden?
Meyer: Das war immer mein Plan. Ich war insgesamt 32 Jahre bei der Polizei, drei Jahre in Ingolstadt, 1997 dann schon ein Stück näher an der Grenze bei Waidhaus – dort herrschte bei der Eröffnung des Grenzübergangs Autobahn großer Personalbedarf. 1998 bis 2000 habe ich an der Fachhochschule für öffentliches Recht und Verwaltung in Sulzbach-Rosenberg meinen Diplom-Verwaltungswirt (FH) draufgesattelt.
Was lernt man da – die Voraussetzungen für den gehobenen Dienst?
Meyer: Im Grunde haben wir das vertieft, was wir in Grundzügen in der Ausbildung gelernt haben. Strafprozessrecht, Strafrecht, allgemeines und besonderes Polizeirecht, Zivilrecht und Verwaltungsrecht– das hilft mir heute. Nach dem Studium ging’s erst mal wieder nach Waidhaus, zunächst als stellvertretender Dienstgruppenleiter, dann als Dienstgruppenleiter nach Neustadt/WN. 2003 kam ich schließlich endlich zur Kripo nach Weiden, Abteilung Wirtschaftskriminalität.
An welchen spektakulären Fall erinnern Sie sich?
Meyer: Der aufsehenerregendste Fall war sicher um 2012 der Mallorca-Betrüger. Da ging es um eine zweistellige Millionensumme. Die Ermittlungen erstreckten sich auf die Schweiz, London, New York, die Niederlande. Ich habe ihn im Landkreis Tirschenreuth festgenommen.
Was war das für ein Mensch – und wie konnte er so viele Leute hinters Licht führen?
Meyer: Wie so oft verlockte die Hoffnung aufs große Geld. Es war ein älterer Herr aus Aachen, er lebte damals auf Mallorca. Es gab Tausende Mails zu sichten, es war äußerst aufwendig, den Betrug zu beweisen. Die Verhandlung war im Weidener Landgericht. Die Große Strafkammer unter dem Vorsitzenden Walter Leupold verdonnerte ihn am Ende zu elf Jahren Haft.
Sie mussten wahrscheinlich auch aussagen?
Meyer: Sicher. Der Konfliktverteidiger hat mich in der Verhandlung gegrillt …
… wie läuft so was?
Meyer: Der fragt einem dann unvermittelt: „Sie haben auf Blatt 4752 der Akte einen Täterhinweis bekommen – was haben Ihre Ermittlungen dazu ergeben?“ Da muss man erst einmal durchschnaufen. Kein Mensch hat Tausende Seiten Akten im Kopf. Letzten Endes war es ein Personalausweis für Max Mustermann, wohnhaft in der Musterstraße in Musterhausen. Natürlich bin ich dieser Spur in den Ermittlungen nicht nachgegangen.
Auf solche Fragen habe ich dann immer Blickkontakt mit Ihrer Kollegin Christine Ascherl gesucht, das hat mich beruhigt …
Jens Meyer schmunzelt
Hat da der strenge Vorsitzende nicht dazwischengehauen?
Meyer: Aber sicher, Walter Leupold hat dann schnell eingegriffen und festgestellt, dass es nicht nur blöde Fragen gibt, sondern auch saublöde …
Was ist für die Opfer dabei herausgekommen?
Meyer: Viele Geschädigte haben leider nichts mehr bekommen – das waren nicht nur naive Rentner, es waren auch Geschäftsleute dabei.
Meyers Meilensteine: Jugend & Polizeilaufbahn
- Evangelische Jugend: Zeltlager Plößberg, friedlicher Protest gegen Wackersdorf
- Bereitschaftspolizei Würzburg: Einstellungstest 1,1, Grundausbildung, Schießen & Recht
- Einsätze: Sulzbach-Rosenberg (Fußball, Grenzöffnung), Weilheim/Bad Tölz/Garmisch (Neujahrsspringen)
- Härtefälle: Todesnachrichten, Bahnunfall, vermisstes Kind; „Nichts Menschliches ist mir fremd“
- Studium: Dipl.-Verwaltungswirt (FH)
- Kripo Weiden: Wirtschaftskriminalität, Mallorca-Fall.




